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Erzherzog Joseph II., „Politische Tagträume” [Rêveries politiques] (1763)

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Bei mir wären wenige Leute beschäftigt, aber die Auswahl wäre überaus streng. Sie würden nach einem Probejahr alle fünf Jahre in ihren Bezügen steigen. Aus dem Dienst ausgeschieden, fielen sie auf ihr Anfangsgehalt zurück, aber keinesfalls die Faulenzer, Nachlässigen oder Unfähigen; diese hätten nichts mehr zu erwarten. Fehler aus Böswilligkeit würden mit äußerster Strenge bestraft, selbst ohne Ansehen der Geburt, weil ich nicht einsehe, mit welcher Berechtigung ein Mensch, der alte Adelsbriefe besitzt, sich ungestraft als Spitzbube gebärden darf, während ein anderer, der über solche Papierfetzen nicht verfügt, im gleichen Fall augenblicklich aufgehängt werden würde.

Damit ein Edelmann dem Staat dient, und das auch noch in sehr mittelmäßiger Weise, muß man ihn in Gold bezahlen; damit ein Präsident bereit ist, seinen Namen zur Verfügung zu stellen, ohne selber im Dikasterium zu arbeiten, und dreimal pro Woche drei Stunden lang dort zu sitzen, um seine Sekretäre schreiben zu lassen, benötigt er zehn- oder zwölftausend Gulden. Wenn er keinen kostbaren Rock brauchte, wenn seine Frau und seine Töchter keine Diamanten benötigten und er keine sechs Pferde, könnte er sich leicht mit viertausend begnügen. Damit ein Rat dem Staat dient, damit er seine Konzipisten schreiben läßt, in den Prater, die deutsche Komödie und in die Gartenschenken geht, hat er sechstausend Gulden oder zumindest viertausend nötig. Der in seinem Gehalt heruntergesetzte Präsident wird von sich aus alle anderen herabstufen, denn diejenigen, die im Moment arbeiten, sind die ärmsten, die Kanzlisten, die nur vier- oder fünfhundert Gulden erhalten. Sobald der Staat sie höher entlohnt, werden sie sich berechtigt fühlen, dem Müßiggang nachzugehen.

Durch meinen Plan, der zugleich die Anzahl der Schriftstücke stark verringern und die Maschine sehr vereinfachen würde, kann ich gewiß, indem ich ohne Unterschied die Unfähigen und Faulen entferne, die Ausgaben aller Abteilungen mit der Hälfte veranschlagen. Ich glaube, daß zur Leitung dieser Maschine ein die Entscheidungen treffender, jedoch durch ein Kollegium wie den Staatsrat beratener Kopf genügt. Die Vorgehensweise, die ich vorzuschlagen beabsichtige, ist meines Erachtens einzigartig: anstatt die Dinge voneinander zu trennen, muß man sie zusammenfügen.

Nach meiner Überzeugung gibt es in der ganzen Monarchie nur zwei Organe, die gut organisiert sind: den Kriegsrat, wie er augenblicklich besteht, und den obersten Gerichtshof. Diese beiden würde ich bezüglich ihrer Aufgaben von allen Berichten an den Staatsrat befreien. Auf die Justiz muß sich ein Herrscher verlassen, nachdem er dafür fähige Untertanen ausgewählt hat. Was das Militär angeht, so sollen die Generäle, für deren Rechtschaffenheit und Befähigung man unzweideutige Beweise gesehen hat, mehr davon verstehen als wir.

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