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Erzherzog Joseph II., „Politische Tagträume” [Rêveries politiques] (1763)

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Sobald ich das erreicht habe, werde ich die Grundherren angreifen. Ich erlege ihnen die doppelte Dominikalsteuer auf, zusammen mit Steuern, die bereits in den Finanzsystemen vorgeschlagen worden sind. Ich befürworte sie alle, weil sie den Grundherrn wie den Untertanen belasten, und weil man dem letzteren jederzeit Steuererleichterungen gewähren kann. Im Gegensatz zu dieser Entlastung müßten die Untertanen die Einquartierung der Truppen erdulden, weil ich glaube, daß sie außerhalb der Kasernen bleiben sollten, sowohl zum Vorteil des Militärs und des Verbrauches, der einen Gewinn für die Grundherren der Gegend bedeutet, als auch zur Förderung des militärischen Geistes, welchen all dies der ganzen Nation vermittelt.

Da ich die Einkünfte der Adeligen stark verringere, darf ich weder verlangen noch erwarten, einen glänzenden Hof zu haben – aber wozu ist dieser nütze? Die innere Stärke, die Gesetze, die strenge Achtung des Rechts, die geordneten Finanzen, das respektable Heer, die blühenden Gewerbe, der geachtete Herrscher – all das charakterisiert einen der bedeutendsten Höfe Europas besser als Bankette, Festtage, kostbare Stoffe, Diamanten, vergoldete Säle, Geschirre aus Gold, Schlittenrennen, usw. Daraus folgt, daß das eine nicht ohne das andere sein kann, daß ich meinen Untertanen diesen Prunk nicht mehr abverlangen werde, keine reichgedeckten Tafeln, keine kostspieligen, außerhalb des Landes angefertigten Kleider mehr, höchstens die einheimische Stickerei. Ich werde nichts verlangen, was die geringste Ausgabe verursachen würde, denn das zu tun wäre eine Torheit und Ungerechtigkeit, weil man ihnen ihre Einkünfte wegnehmen würde.

Durch die im folgenden vorgeschlagene Verringerung der Reichtümer der Großen und der Bezüge wird man feststellen, daß die Leute mit größerem Eifer ihre Dienste verrichten; jeder versuchte, in den Dienst einzutreten, und gäbe sich infolgedessen größere Mühe. Die jungen Leute, welche wissen, daß sie ihr ganzes Leben lang über ausreichenden Besitz verfügen werden, so daß sie es nicht nötig haben, dem Staat zu dienen, bemühen sich um nichts, geben verrückte Summen aus, machen Schulden, die, da sie nicht zurückgezahlt werden; den armen Mann und Handwerker ruinieren, der Steuern zahlt, während jene dort von keinerlei Nutzen sind. Wüßte man aber, daß es, um in Wohlstand zu leben, kein anderes Mittel gäbe, als zu einem Amt zu gelangen, nämlich durch den eigenen Fleiß und alleine durch die tatsächliche Leistung, ohne Berücksichtigung von Empfehlung, Verwandtschaft, ja nicht einmal der Verdienste der Vorfahren, da man zwar den Vater, der dem Staat gute Dienste leistet, belohnt – nichts wäre gerechter –, aber diese Belohnung den Staat nicht mit Taugenichtsen belasten soll, die von ihren Vätern nichts als den Namen haben. Alles beruhe auf dem persönlichen Verdienst! Wenn dieser Vorsatz ausnahmslos beachtet wird, welche Genies werden erscheinen, die zur Stunde verborgen sind, entweder aus Faulheit oder weil sie von den Großen unterdrückt werden. Jeder wird sich anstrengen, weil er, in diesem Wissen, seit seiner Geburt das Ziel haben wird, sich die Möglichkeit zu verschaffen, in Wohlstand zu leben, was er sich nur mit Hilfe des Gehalts seines Herrschers leisten kann.

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