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Friedrich August Ludwig von der Marwitz: Auszug aus dem Essay „Von den Ursachen der überhandnehmenden Verbrechen” (1836)

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Sonst wird seit wenigen Jahren allerdings wieder mehr auf den Religionsunterricht gehalten; aber die Folgen des vielerlei Lernens (was denn doch nur immer oberflächlich ist) sind viel zu verderblich, als daß sie dadurch vernichtet werden könnten.

Alle Schulbücher, bis auf wenige ganz neue, sind demagogischer Natur; der Brandenburgische Kinderfreund und die Bücher von Wilmsen usw. predigen die Freiheit und Gleichheit; ja, das früher berühmte Not- und Hilfsbüchlein stellt eine Dorfgemeine dar, die, obzwar sie einen guten Herrn hat, dennoch nicht eher zum Glück gelangen kann, als bis eine Konstitution eingeführt ist. Danach und mit solchen Gegenständen wird die Jugend unterrichtet, von ihrem Beruf abgezogen und der Hochmut erweckt.

Begreiflich muß dazu viele Zeit verwendet werden. Die Kinder müssen, sobald sie sechs Jahr alt sind, die Schule besuchen und werden mit vierzehn Jahren eingesegnet. Haben sie das siebente Jahr abgewartet, so erfolgt die Einsegnung erst mit fünfzehn Jahren. Sie müssen acht Jahre in der Schule bleiben und sitzen darin täglich im Winter sechs Stunden, im Sommer drei Stunden.

Was ist die Folge? Da die Schulen von den Superintendenten fleißig visitiert und Berichte darüber abgestattet werden, von denen das weitere Fortkommen des Schulmeisters abhängt, so muß er suchen, mit den ältesten Kindern zu paradieren und diesen treffliche Antworten zu entlocken, die von Bildung zeugen. Da sitzen denn die kleinen Kinder jahrelang, täglich sechs Stunden, die Fibel mit den Buchstaben und späterhin mit kleinen Sätzen vor der Nase, um die Buchstaben und das Lesen zu erlernen, dann mit Schreibbüchern, um Striche und einzelne Buchstaben zu machen. Der Schulmeister ist nicht imstande, viel Zeit auf sie zu verwenden und sie aufzuwecken, sonst kommt die Parade mit den Großen nicht zustande. Die Kleinen verbutten also gänzlich. Wenn sie dann heranwachsen, ist der größte Teil nicht imstande, das zu begreifen, was verlangt wird; sie erschnappen nur hier und da etwas, die guten Köpfe aber unter ihnen, die alles überwinden, sind alsbald dem Hochmutsteufel dahingegeben.

Der Grund alles ferneren Übels liegt nun darin, daß die Kinder durch den steten Aufenthalt in der Schule den Eltern so sehr aus dem Gesichte kommen, daß sie sich schon daran gewöhnt haben, die Erziehung der Kinder ausschließlich als die Obliegenheit des Schulmeisters zu betrachten, also daß sie selbst sich gar nicht mehr darum bekümmern.

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