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Maria Theresias Politisches Testament (1749-50)

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Keine Erfahrenheit in Aussuchung derer Räten wohnete mir bei, und eben darumben die natürlicher Weise damals gehabte große Timidität und Diffidenz, welche gedachte Unerfahrenheit zur Ursach hatte, die Auswahl deren so sehr benötigten Ratschlägen und Information sehr erschwerete; wie dann in denen letzteren zehen unglücklichen Jahren Ihro Majestät meines Herrn Vatters Regierung nur als ein anderer Particulair die üblen Folgen und Lamenti, die in das Publicum kommen, gehört, ohne zu wissen, warumb und aus was Grund sie kommeten, welches zu selben Zeiten nicht wie jetzund alles auf die Ministri geschoben worden. Mithin nahme die Resolution, meine Unwissenheit nicht zu verstecken, ein jeden in sein Departement anzuhören und mich also recht zu informieren. Graf Sinzendorff, der Hofkanzler ware ein großer Ministre und habe noch mehrer seinen Verlust erst nachgehends empfunden, allein dieser hatte mein Vertrauen nicht. Graf Starhemberg besaße es völlig und venerierte ich ihme recht, obwohlen er nicht so große politische Einsicht als ersterer hatte. Der erste disponierte und informierte mich anfangs von allen, letzterer aber hatte mein völliges Vertrauen. Dieses ginge ganz ruhig und gut, bis Kinsky gekommen, der mich selbsten mit bester Meinung so ir und in solche Unruhen und Konfusionen geworfen, daß aus dieser Tranquillität völlig gekommen und viel chagrin mir zugezogen.

Bei welcher Gelegenheit Bartenstein, gegen deme anfänglich recht übel prävenieret ware, kennen lernen, und zwar auf Graf Starhemberg und Herberstein Vorschlag, deme auch also gefunden, wie ihme die ganze Welt, die ihn recht kennet, das Zeugnüs leisten muß, daß er ein großer Staatsmann. Diesen habe nachgehends viel gebraucht, umb meine Brouillerien in Ministerio wieder beizulegen und ein — oder andern zuzureden, welches mich jedoch allezeit in mehreres Labrynth und Finsternüs gezogen, daß nachgehends oft indecis und mefiant wider meinen Charakter worden, daß wann Gott nicht selbst einen Strich gemacht hätte mit Absterbung aller, so wäre niemals in Stand gewesen zu remedieren, weilen lieber selbsten gelitten als violente Resolutiones zu nehmen, die der Ehre und Reputation eines anderen nachteilig waren, wohl zu verstehen, weilen dieses pure Particularungemächlichkeiten vor mich waren und selbige alle ehrlich dencketen; nur wollten sie sich zusammen nicht verstehen, meistens aus Ambition und, umb mehreres zu sagen und zu schaffen zu haben. Diese deren Gedenkensart hat zwar wohl in das Publicum eingeschlagen, jedoch in Hauptsachen niemals in etwas Wichtiges mich abgehalten, wider selbe zu resolvieren, worinnen mich Bartenstein unvergleichlich soutenieret und die Gemüter gewußt zu praeparieren, darumben mich auch völlig seines Rats und Angebens bedienet, dahero er so viel Credit bei mir bekommen, von deme er niemals abusieret, mithin er so viel wie mein Rat bestellet ware, als zur Regierung kame.

Gleich anfangs setzte mir vor diese principia zu meiner eigenen innerlichen Direction und zwar mittelst einer aufrechten Meinung und inständigen Gebet zu Gott mich dahin zu befleißen, von allen Nebenabsichten, oder Hoheiten oder Ambitionen oder andern Affecten, nachdeme mich darüber selbsten öfters in Occasionen geprüfet, mich gänzlich zu entfernen, folglich die mir obliegende Regierungsgeschäfte ruhig und standhaft zu unternehmen; wie dann dieses Principium das einzige gewesen, was in denen großen Nöten mich mit dem Beistand Gottes erhalten und die gefaßten Resolutiones befolgen machen, allermaßen in allen meinen Tun und Lassen zur Hauptmaxime erwählet, allein auf Gott zu trauen, dessen Allmacht ohne mein Zutun noch Verlangen mich zu diesem Stande auserwählet, welcher also auch mich würdig zu machen hätte durch meine Aufführung, Principia und Intentiones diesem mir aufgetragenen Beruf nach Erfordernüs vorzustehen und solcher Gestalten seine allerhöchste Protektion vor mich und, die er mir untergeben, beizuziehen und zu erhalten; welche Wahrheit mir täglich vor Augen geleget und reiflich erwogen, daß nicht mir selbst, sondern dem Publico allein zugehörig sei.

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