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Bayerisches Edikt über „die Errichtung einer Gensd’armerie” (11. Oktober 1812)

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Art. 198. Entgegen kann die Gensd’armerie, sie sey requirirt, die Befehle der Justiz und Polizei zu vollziehen, oder sie vollziehe ihren ordentlichen Dienst, nur dann erst Gewalt brauchen, und sich ihrer Waffen bedienen, wenn gegen sie selbst Gewalt gebraucht wird, oder wenn der Widerstand, den sie in Ausübung ihrer Pflicht findet, von der Art ist, daß er nur mit Gewalt der Waffen vertrieben werden kann.

Art. 199. Bei Volksaufläufen kann die Gensd’armerie dem Widerstande nur dann mit Gewalt der Waffen begegnen, wenn sie hiezu durch eine ausdrückliche Requisition der Polizei-Behörde authorisirt, und von einem Individuum derselben begleitet ist, welches ehevor zu dreimalen mit lauter Stimme die Aufwickler zum Gehorsam auffodert, sie auseinander gehen heißt, und sie warnet, der Gewalt zu weichen; wenn nach dieser Auffoderung der Widerstand fortwähret, und die versammelten Aufrührer sich nicht friedlich entfernen, so findet deren gewaltsame Zerstreuung statt, die Gensd’armerie ist nicht mehr für die Folgen verantwortlich, und ergreift alle, deren sie sich bemächtigen kann, um sie der Polizei zu übergeben.

Art. 200. Die Kommandanten der Gensd’armerie, die Anführer der Brigaden und die einzelnen Gensd’armen, welche sich weigern, die legalen Requisitionen der Zivil-Behörden zu vollziehen, sollen auf die dießfallsige Anzeige, auf der Stelle suspendirt, und mit einer Arrest-Strafe belegt werden, welche nicht unter 3 Monaten dauern darf, ohne Abbruch jener schärfern Strafen, welche die Kriminalgeseze auf Verlezung der öffentlichen Sicherheit sezen, falls eine solche Verlezung die Folge der von der Gensd’armerie verweigerten Hilfe seyn würde.

Art. 201. Wenn entgegen ein Offizier, Unteroffizier oder Gemeiner der Gensd’armerie sich erlauben sollte, einen Arrestbefehl gegen eine Person zu ertheilen oder zu vollziehen, deren Verhaftung nach gegenwärtiger Verordnung nicht erlaubt und angeordnet ist, um solche sogleich der Polizei-Behörde auszuliefern, so wird derselbe vor das betreffende Militärgericht gestellt, und mit der Strafe der mißbrauchten Amtsgewalt belegt.

Art. 202. Einer gleichen Behandlung unterliegen jene Gensd’armen, welche Personen, die sie in Folge gegenwärtiger Verordnung, oder auf legale Requisition verhaftet haben, in Gefängnissen verwahren, welche nicht zu diesem Zwecke von den Justiz- und Polizei-Behörden ausdrücklich und öffentlich bestimmt sind. [ . . . ]

Art. 205. Jede Gewalt, welche die Gensd’armerie bei Verhaftungen in Erfüllung ihres Dienstes anwendet, ohne hiezu nach den Vorschriften der gegenwärtigen Verordnung authorisirt zu seyn, wird als gesezwidrig nach den Kriminal-Gesezen strenge bestraft, und die Kommandanten sowohl, als die Zivil-Behörden haben darüber zu wachen, daß die Gefangenen weder durch Spott, noch andere Handlungen beleidiget, und ihnen keine Gewalt angethan werde, wenn sie solche nicht selbst durch ihre Widersezlichkeit nothwendig machen.

Art. 206. Ueberhaupt hat sich die Gensd’armerie in und ausser ihren Dienstverrichtungen mit Anstand und Bescheidenheit zu benehmen, und jedem, er sey auch vom niedrigsten Stande mit jener Achtung zu begegnen, auf die er als Bürger des Staates Anspruch machen kann.




Quelle: Königlich-Baierisches Regierungsblatt (1812), Sp. 1737-43, 1746-52, 1757, 1762 f., 1766-73, 1777 f., 1781-84.

Abgedruckt in Walter Demel und Uwe Puschner, Hg. Von der Französischen Revolution bis zum Wiener Kongreß 1789-1815, Deutsche Geschichte in Quellen und Darstellung. Herausgegeben von Rainer A. Müller, Band 6. Stuttgart: P. Reclam, 1995, S. 239-48.

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