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Maximilian von Montgelas, „Ansbacher Mémoire”. Vorschlag für ein Staatsreformprogramm (30. September 1796)

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Eines der großen Mittel, diese glückliche Revolution [der Toleranz] in den Gemütern zu beschleunigen, sie aus der Lethargie herauszureißen, in der sie dahindämmern, und aufklärerische Bildung [»lumières«] rasch zu verbreiten, wird die Befreiung des Buchhandels von jenen geradezu kindischen Fesseln sein, denen man sie unter dieser Regierung [Kurfürst Karl Theodors] unterworfen hat, das Zensurkolleg gänzlich abzuschaffen, eine vernünftige Pressefreiheit zu gestatten, wobei man Verstöße präzise definiert, die Autoren und Verleger verpflichtet, ihre Namen unter jedes neue [Presse-]Erzeugnis zu setzen, um so den einen oder den anderen vor den Obrigkeiten [»magistrats«] verantwortlich zu machen für das, was diese an Tadelnswertem enthalten könnten. Das Gesetz, das man hierzu geben wird, verlangt, reiflich überlegt und gründlich diskutiert zu werden. Das große Problem, wo die Freiheit endet und die Zügellosigkeit beginnt, ist noch in keinem Staat gut gelöst worden. Es ist sogar möglich, daß es einige Zeit braucht, um die Gemüter auf den Genuß dieser Wohltat vorzubereiten, und daß diese Verbesserung vernünftigerweise erst als letzte eingeführt wird. Ich halte mich nicht bei den Einwänden auf, die viele Menschen versucht sein könnten, gegen das Prinzip des Vorhabens [der Pressefreiheit] als solches zu erheben. Es ist heute erwiesen, daß es die krasse Unwissenheit der Völker ist und nicht etwa die vernünftige und dem Stande eines jeden angemessene Bildung, die man ihnen angedeihen läßt, welche die Revolutionen hervorruft und den Sturz der Reiche herbeiführt. Je aufgeklärter die Menschen sind, desto mehr lieben sie ihre Pflichten, desto mehr stehen sie zu einer Regierung, die sich wirklich um ihr Glück bemüht.

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Quelle: Eberhard Weis, „Montgelas’ innenpolitisches Reformprogramm. Das Ansbacher Mémoire für den Herzog vom 30. 9. 1796“, in Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 33 (1970), S. 219-56. [Der Text erscheint hier im französischen Original, S. 244-54.]

Deutsche Übersetzung aus: Walter Demel und Uwe Puschner, Hg. Von der Französischen Revolution bis zum Wiener Kongreß 1789-1815, Deutsche Geschichte in Quellen und Darstellung. Herausgegeben von Rainer A. Müller, Band 6. Stuttgart: P. Reclam, 1995, S. 79-86.

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