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Maximilian von Montgelas, „Ansbacher Mémoire”. Vorschlag für ein Staatsreformprogramm (30. September 1796)

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Die Pfarreien sind, besonders in Bayern, zu weitläufig. Die Verteilung der Einkünfte ist unter diesen Pfarrern so ungleich, daß der eine im Überfluß schwimmt, während der andere kaum das Nötigste hat. Eine neue Verteilung, über die man sich mit den Bischöfen verständigen müßte, ist absolut notwendig. Man würde den Untertanen sehr helfen, man würde ihnen den Weg zu Unterricht und Seelsorge erleichtern, auf welche viele von ihnen aufgrund der großen Entfernung von ihren Pfarrkirchen einen Großteil des Jahres hindurch gezwungenermaßen verzichten müssen. Vielleicht wäre es von Nutzen, die Neueinteilung so vorzunehmen, daß niemand weiter als eine halbe Meile gehen muß, um seine Pfarrkirche zu erreichen. [ . . . ]

Die beiden Universitäten von Heidelberg und Ingolstadt sind in einem höchst beklagenswerten Zustand. Ihre Einkünfte beschränken sich auf Kleinigkeiten. Man widmet der Auswahl der Professoren keinerlei Aufmerksamkeit. Um die Schulen in den Städten und auf dem Lande ist es noch schlechter bestellt. Die Schulmeister, in der Mehrzahl Sakristane, fristen ihr Dasein in Unwissenheit, haben nicht das Notwendigste und genießen infolgedessen keinerlei Ansehen. Die Bauern weigern sich, ihre Kinder zur Schule zu schicken; die meisten können weder lesen noch schreiben. Dies gilt vor allem für Bayern; in der Pfalz sind die Verhältnisse in dieser Hinsicht weniger schlimm. Man wird eines Tages nicht darum herumkommen, auf diesem Gebiet eine absolute Umgestaltung vorzunehmen, gründliche Überlegungen anzustellen, welchen Plan man sich zu eigen machen wird, und vor allem, den Elementarschulen in Stadt und Land die fortgesetzteste Aufmerksamkeit zu schenken. Denn sie sind es eigentlich, welche die Fähigkeiten der interessantesten [wichtigsten] Klasse der Gesellschaft entwickeln und dem Nationalgeist ihr Siegel aufdrücken.

Die religiöse Toleranz zieht ins Innere des Staates Fremde an, die durch ihren Fleiß nützlich sind, sie begünstigt den Fortschritt des Gewerbefleißes [»industrie«] und der Bildung [»lumières«] und regt den Wettbewerb an. Sie bildet eine absolute Verpflichtung gegenüber Untertanen einer anderen Religion dort, wo diese sich in einer gewissen Anzahl niedergelassen haben. [ . . . ]

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