GHDI logo

Kaiser Joseph II. zur Struktur und politischen Lage der österreichischen Monarchie und des Heiligen Römischen Reiches (1767/68)

Seite 3 von 7    Druckfassung    zurück zur Liste vorheriges Dokument      nächstes Dokument


Dies sind die Hindernisse, welche die falsche und schlechte Politik unserer deutschen Fürsten zusammen mit ihrem Fanatismus ihrem eigenen Glück, ihrem Ruhm und ihrer Freiheit in den Weg legen. Hier könnte das Oberhaupt, selbst mit den allerbesten Absichten, nicht auf der Stelle Abhilfe schaffen, noch könnte er darauf hoffen, dies in Zukunft tun zu können, wenn nicht vorher nach und nach ihre unvernünftige Denkweise verändert und bei den Fürsten und deren Ministern weniger Mißtrauen und Argwohn erregt wird, daß er seine Macht erweitern wolle, was viel Zeit, Mühe und Geduld, vor allem aber auch geeignete, intelligente Unterhändler erfordert, die bewandert in der Verfassung des Reiches und den natürlichen Interessen eines jeden Hofes sind. Solche Leute sind ziemlich selten bei uns, und man müßte dieses große Werk damit beginnen, welche heranzubilden.

Darum scheint mir, daß alles, was ein von Eifer erfüllter Kaiser im gegenwärtigen Augenblick und bis sich die Aussichten im Reich und in Europa allgemein wieder günstiger gestalten, für das Wohl seines Vaterlandes tun kann, darin besteht, durch Redlichkeit und Gerechtigkeit seiner Handlungen Vertrauen und allgemeine Achtung zu gewinnen, gleiche Behandlung und keine Voreingenommenheit gegenüber den verschiedenen Bekenntnissen zu bezeigen, sich jeder Schikane in Kleinigkeiten zu enthalten und keinen Triumph in Eingriffen zu suchen, die man machen kann, die aber keinen wirklichen Vorteil bringen, weil sie stets den Geist der Machterweiterung fürchten lassen, und schließlich noch, soweit man dies kann, die traurigen Überreste der einstigen kaiserlichen Autorität zu retten und vor einer vollständigen Zerstörung zu bewahren, die den Absichten nicht nur der auswärtigen Mächte, sondern auch der Reichsstände selbst zu entsprechen scheint; sie sind am meisten interessiert an der Erhaltung dieser Art von Anarchie. Was davon noch übriggeblieben ist unter den vorhergehenden Regierungen, beschränkt sich im wesentlichen auf die Rechtsprechung der Reichsgerichte und die Lehnrechte, welche die Stände, selbst die mächtigsten, früher öffentlich anerkannten, und zwar in einer sehr feierlichen Form, durch die Investitur, welche sie vom Kaiser zu nehmen verpflichtet waren. Ich habe diese beiden Säulen der einstigen Majestät des Reiches sehr wankend und dieses weite Gebäude, das durch so schwache Pfeiler gestützt wird, kurz vor dem Einsturz vorgefunden. Um einem solch unheilvollen und nahe bevorstehenden Fall zuvorzukommen, hat man mit dem begonnen, was am dringendsten war.

erste Seite < vorherige Seite   |   nächste Seite > letzte Seite