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Interview mit Rainer Eppelmann über die SED Enquete-Kommission (3. Mai 1992)

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Eppelmann: Das sind für mich unerträgliche Töne, und zwar deswegen unerträgliche Töne, weil ich sie erst in den letzten Wochen höre, erst seitdem der Ministerpräsident von Brandenburg, der von mir ansonsten sehr geschätzte Manfred Stolpe, ins Visier, in die Beobachtung gekommen ist. Das ist offensichtlich für die, die sich innerhalb der SPD geäußert haben, kein Problem gewesen, als es um Lothar de Maizière oder Wolfgang Schnur ging oder um die vielen, bis hin zu Küchenhilfen, die im Land Brandenburg heute nicht mehr im öffentlichen Dienst tätig sein können, weil sie mit der Staatssicherheit zusammengearbeitet haben. Ich meine, es gibt ein Gesetz – Stasi-Unterlagen-Gesetz –, von dem alle Bundestagsabgeordneten mehr oder weniger wußten, daß wir mit diesem Gesetz auch ein Risiko eingehen, weil wir da Neuland betreten. Wir haben so etwas noch nie getan. Aber es ist ein Gesetz gewesen, das mit übergroßer Mehrheit des ganzen Hauses angenommen worden ist. Wir haben gesagt: Uns ist klar, weil wir da Neuland betreten, daß es Novellierungen dieses Gesetzes geben wird. Wir sind aber eigentlich alle der politischen Absicht gewesen – selbst die PDS hat da nur – meine ich – mit Stimmenthaltung votiert –, daß auch dieser Teil der DDR-Geschichte aufgearbeitet werden muß. Da auf einmal nur deswegen eine völlig andere Meinung zu bekommen, weil eine Symbol- und Integrationsfigur der SPD jetzt ins Zwielicht geraten ist. [ . . . ] Aber doch nicht wegen der Gauck-Akten, sondern wegen seines eigenen Verhaltens. Ich habe den Eindruck, wenn man hier Kritik üben will, dann muß man sie mit Manfred Stolpe üben und nicht mit den Akten. Die Akten müssen natürlich auch als das gesehen werden, was sie sind. Darauf weist Herr Gauck auch immer wieder hin. Das ist nun nicht die Bibel, das ist nicht die ewige Wahrheit. Aber es sind aus einer ganz bestimmten Optik heraus Berichte über Ereignisse, Veranstaltungen, Gespräche, Treffen, die stattgefunden haben. Nach all dem, was bisher zu sehen ist, muß man, was die Wertung dieser Akten angeht oder die Wertung, die in diesen Akten drinsteht, ungeheuer vorsichtig sein, weil das natürlich immer parteilich gewesen ist. Aber ich kenne meine Akte. Es gibt kein einziges Beispiel dafür, wo behauptet worden ist, das und das ist passiert, und es ist dann nicht passiert in der Wirklichkeit, sondern das stimmt immer. Da ist eine Sache, eine Veranstaltung, die ich als sehr gut, sehr gelungen und sehr hilfreich für viele Menschen empfunden habe, und da stand eben, was weiß ich: Angriff gegen den Staat, konterrevolutionäre Sache. Aber da hat nie dringestanden, an dem und dem Tag hat eine Veranstaltung stattgefunden, die gar nicht stattgefunden hat.

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Quelle: „Interview mit Rainer Eppelmann [MdB/CDU], Vorsitzender der Enquetekommission des deutschen Bundestages ‚Aufarbeitung der Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland‘“, Deutschland Archiv 25, Nr. 8 (1992), S. 668-671ff.

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