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Kommunalpolitik in Halle (29. Mai 1994)

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Rauen: Sie kommen auf einen entscheidenden Punkt zu sprechen. Ich will versuchen – Sie haben mich ja als Wanderer zwischen zwei Welten apostrophiert –, Ihnen das deutlich zu machen. Ich nehme ruhig einmal die Beispiele Bonn und Halle, weil sie sich hervorragend eignen, die Unterschiede deutlich zu machen. Beide Städte sind fast identisch in der Einwohnerzahl, beide Städte unterscheiden sich aber in ihrer Struktur. Bonn ist – wie Sie wissen – ein Standort mit außerordentlich vielen Behörden und Dienstleistungen, das sind – was die Bundesbehörden angeht – alle Institutionen, die keine Gewerbesteuer zahlen, und damit ist Bonn eine relativ gewerbesteuerschwache Stadt. Halle ist eine sehr stark von Industrie und Gewerbe geprägte Stadt gewesen, immer gewesen, und müßte deswegen ja einen besonders hohen Anteil aus gewerblich erwirtschafteten Steuern haben. Genau das Umgekehrte ist der Fall: Bei der gleichen Einwohnerzahl hat die Stadt Bonn – wo ich ja auch einmal Kämmerer gewesen bin, ich nehme jetzt einmal einen Annäherungswert aus dem Jahre 1992 – etwa 250 Millionen Gewerbesteuer eingenommen, und die Stadt Halle hat in dieser Zeit 16,8 Millionen Gewerbesteuer eingenommen. Inzwischen haben natürlich auch die westdeutschen, süddeutschen Städte Einbußen hinnehmen müssen, weil die Konjunkturschwäche sich auch bei ihnen niedergeschlagen hat, aber gleichwohl – wenn ich einmal die Quote in Bonn nehme – die mir jetzt nach dem letzten Stand ’94 nicht im einzelnen bekannt ist –, wenn ich davon ausgehe, daß dieser Stand von 250 Millionen in etwa geblieben ist, dann haben wir hier inzwischen ein Anwachsen auf etwa 24 bis 25 Millionen. Sie sehen, es ist also eine krasse Verzerrung. Und wenn wir jetzt die Beteiligung an der Einkommensteuer nehmen, da haben wir natürlich in Bonn ein überdurchschnittliches Einkommen der Bevölkerung, und hier ein leicht überdurchschnittliches Einkommen der Bevölkerung in den neuen Bundesländern, insofern gibt es durchaus wieder Vergleichsmöglichkeiten. Und wir haben in Bonn wiederum etwa eine Größenordnung von 250 Millionen DM Anteil Einkommensteuer, und in Halle liegt das bei 50. D.h. also, im einen Falle ein Fünftel, im anderen Falle ganz kleine Bruchteile, und wenn Sie das jetzt über alles rechnen, damit der Hörer sich eine Vorstellung machen kann, dann kommen Sie etwa zu einem Anteil von 25 % Eigenfinanzierung der Städte in den neuen Bundesländern, d.h. also mit anderen Worten, 75 % müssen ausgeglichen werden durch Leistungen Dritter, und dies sind Leistungen des Landes, und da die neuen Bundesländer ebenfalls arm sind, ist hier der Zahlmeister in erster Linie der Bund, sprich der Steuerzahler in Gesamtdeutschland. Ohne diese substantielle Hilfe sind natürlich diese Städte überhaupt nicht in der Lage, Selbstverwaltung zu betreiben. Ich brauche Ihnen angesichts der eben genannten Zahlen – also einer Lücke von 75 % – das Desaster, das entstehen würde, wenn das nicht ausgeglichen würde, überhaupt nicht zu beschreiben. Man muß aber auch gleich hinzufügen, nur wenn man sich diese Zahlen einmal wirklich ganz bewußt macht, kann man die ungeheure Bedeutung dessen erkennen, was wir mit einem verkürzten Schlagwort „Solidarpakt“ nennen, denn dieser Solidarpakt ist ja sozusagen die Finanzierungsgarantie für die Defizite, die in den ostdeutschen Städten und in den ostdeutschen Ländern vorhanden sind. Hier wird also nur mit dieser gigantischen Transferleistung aus dem Steueraufkommen in den westlichen Bundesländern ein Ausgleich erzielt, und daß dies natürlich zu Einbußen bei den west- und süddeutschen Städten, bei den Ländern im Westen führt, damit aus dieser Transferleistung dann hier eine entsprechende Annäherung an den Weststandard allmählich erreicht werden kann, das führt zwangsläufig zu Mißstimmungen auf der einen und aber auch zu Unzufriedenheit auf der anderen Seite, und das ist vielleicht auch ein bißchen unser deutsches Problem. Aber die generelle Lösung, die man gefunden hat, ist eine ganz große politische Leistung, und das muß man immer wieder sagen, das muß man auch den Menschen hier sagen, die das noch nicht begriffen haben, weil dieser Begriff „Solidarpakt“ vielleicht für sie noch nicht genug mit Inhalt gefüllt ist.

DLF: Nun wird ja demnächst die Finanzierung – auch der ostdeutschen – Kommunen durch den ganz normalen, sag’ ich mal, Länderfinanzausgleich geschehen. Was wird denn das für die Städte bedeuten? Haben sie dann garantiert eine Finanzierung auf längere Frist, oder wie läuft das ab?

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