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Strukturelle Anpassungen (29. Oktober 1993)

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Wenn ich nicht im Büro- mit den Tücken der Technik kämpfte, war ich auf Achse. Während sich im heißen Sommer 1990 in der Ost-Berliner Volkskammer die Parteien über Wahlmodus und Beitrittstermin stritten, kurvte ich über holprige Landstrassen zu den Chemieschloten von Buna, Leuna und Bitterfeld, den Kupferhalden des Mansfelder Landes oder zu Landesparteitagen der neu entstehenden Parteien. Der Aufbau der dpa-Berichterstattung im künftigen Sachsen-Anhalt blieb manches Mal im Stau stecken. Meine mit viel Glück gefundene Wohnung sah ich nur selten, Freizeit war selten.

So fiel es mir leicht, in der Elbestadt eine neue Heimat zu finden. Statt ganz alleine an der Nachrichtenfront zu kämpfen führe ich inzwischen ein siebenköpfiges Büro. Weil das Thälmann-Haus, vormals SED-, nun Allianz-Hauptquartier, uns nicht mehr als einen Raum bieten wollte, zogen wir schon zur Jahreswende 1990/1991 um in die Hegelstrasse, heute eine der besten Magdeburger Adressen, wo wir den dpa Landesdienst starteten.

Seit damals hat sich der Medienmarkt, für den wir schreiben, gründlich geändert. Aus dem dpa-Einzelkämpfer wurde ein siebenköpfiges Büro, bei den abnehmenden Medien verlief der Prozess eher umgekehrt. Im zweiten Halbjahr 1990 herrschten in Magdeburg für den Käufer am Kiosk geradezu paradiesische Zustände: Er konnte zwischen sechs lokalen Tageszeitungen wählen. Geblieben sind nur das einstige SED-Organ „Volksstimme“ und eine auf ein inhaltliches Minimum geschrumpfte Lokalausgabe der Bild-Zeitung. West- wie ostdeutsche Neugründungen gingen nicht nur in Magdeburg, sondern auch in der Provinz reihenweise ein.

Offensichtlich hatten 1990 viele Westverlage in Magdeburg und anderswo die Beharrlichkeit der Ossis unterschätzt, die an ihren altgewohnten Zeitungen treu festhielten. Statt in Scharen zu Neugründungen wie der anspruchsvollen „Magdeburger Allgemeinen“ (Madsack) überzulaufen, hielten die Magdeburger ihrer „Volksstimme“ die Stange, die sich inzwischen unter westlicher Regie deutlich gewandelt hat. Aufs richtige Pferd hatten diejenigen West-Verlage gesetzt, die die zu DDR-Zeiten mit staatlicher Papierzuteilung auf sechsstellige Auflagen hochgepäppelte SED-Presse übernahmen. Nur im Norden Sachsen-Anhalts kann die „Altmark-Zeitung“ (zur Ippen-Gruppe gehörig) der „Volksstimme“ nach wie vor ernsthaft Paroli bieten. Ihr gelang es, schon kurz nach der Wende in allen fünf Landkreisen der Altmark präsent zu sein und gezielt das Regionalbewusstsein anzusprechen. Die Boulevardpresse, vor allem der „Mitteldeutsche Express“ konnte sich nur im dichter besiedelten Süden Sachsen-Anhalts etablieren, wo ansonsten das ehemalige SED-Organ „Mitteldeutsche Zeitung“ in Halle das Regiment führt.

Während so die Zahl der dpa-Kunden bei den Print-Medien zurückging, nahm sie bei den elektronischen Medien zu. Mit dem Start der Dreiländer-Anstalt „Mitteldeutscher Rundfunk“ (MDR) begann in Sachsen-Anhalt am 1. Januar 1992 das öffentlich-rechtliche Zeitalter, im Spätsommer 92 zogen die Privaten nach. Seither konkurrieren „Radio SAW“ und „Radio Brocken“ mit MDR 1/Radio Sachsen-Anhalt und MDR live um die Ohren der Hörer. Trotz der neuen Vielfalt im Äther bleiben aber etliche Sachsen-Anhaltiner in den grenznahen Regionen ihren aus Vorwendezeiten vertrauten niedersächsischen Sendern (NDR 2, FFN) treu.

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