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Parteienzusammenschlüsse (6. Juli 1990)

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Die FDP steht vor einem völlig anderen Problem als die übrigen Parteien. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte wird sie – zumindest vorübergehend – eine Mitgliederpartei. Zu ihren 68 000 Mitgliedern kommen aus der DDR an die 140 000 hinzu, vor allem aus den früheren Blockparteien LDPD und NDPD. Während die SPD über „Minderheitenschutz“ für ihre DDR-Schwesterpartei bei einem Vereinigungsparteitag nachsinnt, muß die FDP eher umgekehrt verfahren. Auch hier gibt es hinter den Kulissen handfeste Fronten innerhalb der westlichen Parteiprominenz; einige West-Liberale glauben offenbar, programmatische Inhalte der mitgliedermäßig bedeutenden DDR-Partei nutzen zu können, um die Gewichte innerhalb der West-FDP zu verändern. Das haben auch manche Ost-Liberale inzwischen begriffen, und so steigt auch dort das Selbstbewußtsein. Graf Lambsdorff, der den Vorsitz nach der Fusion führen möchte, wird bei mehr als 200 000 Mitgliedern einer ganz anderen Organisation bedürfen als bisher bei der Leitung einer Honoratioren-Partei.

Die programmatische Basis der DDR-Liberalen allerdings ist diffus. Auch nachdem nun Justizminister Wünsche, der mindestens dem doch eher sozialliberal orientierten rechtspolitischen Flügel in der FDP ein unliebsames Aushängeschild war, ausgeschieden ist, muß den West-Liberalen manches, was derzeit in der DDR geschieht (zum Beispiel die Aktion „weiße Weste“), als schwere Hypothek für den Rechtsstaat erscheinen – ganz abgesehen davon, daß die NDPD (National-Demokratische Partei), welche beim Bund Freier Demokraten Anschluß gefunden hat, ursprünglich zur politischen Sammlung und Neutralisierung von NS-Mitläufern diente. Darüber sind zwar einige Jahrzehnte verstrichen, aber das Faktum bleibt.

Anders als CDU und SPD kennt die FDP ihre Schwester LDP (nicht hingegen die NDPD) aus langjährigen Kontakten. Deshalb weiß sie, daß sie sich – ähnlich wie die CDU – auf eine Stärkung des Wirtschaftsflügels wird einrichten müssen. Das dürfte übrigens auf absehbare Zeit die Koalitionsoptionen begrenzen; der „Vorrat gemeinsamer Interessen“ mit der SPD ist gering.

Die Parteien in der Bundesrepublik drängen auf Vereinigung. Sie werden sich dabei auf innere Veränderungen einrichten müssen. Dabei ist noch schwer überschaubar, welche Veränderung der politischen Landschaft von außen auf sie zukommt: durch die PDS. Da ist einmal die Situation in der DDR. Seit sie den Namen SED abgelegt hatte, hat die Partei etwa zwei Millionen Mitglieder verloren. Gregor Gysi läßt den Bestand derzeit mit 350 000 angeben. Wohin gehen die zwei Millionen? Gewiß mag ein großer Teil von ihnen der Politik (im Sinne der Parteimitgliedschaft) überdrüssig sein. Doch der Beschluß des SPD-Parteitages beweist, daß andere Parteien die PDS unter gewissen Bedingungen als Steinbruch betrachten. Weil sich wohl auch frühere Einheitssozialisten an Wahlerfolgen orientieren, wird die CDU ebenfalls Ex-SED/PDS-Mitglieder integrieren müssen.

Außerdem sucht die PDS ihrerseits von der DDR aus „Schwestern“ in der Bundesrepublik. Rastlos ist der Parteivorsitzende unterwegs zu Diskussionsveranstaltungen. Noch ist er gut bei Kasse. Mit Eifer richtet „Neues Deutschland“ immer wieder an Politiker der Grünen die Frage nach den „Chancen linker Alternativen in Deutschland“. Die „Zielsetzung“: In der Bundesrepublik sei „Platz für eine linke sozialistische Partei“. Hier will die PDS denn auch die „anderen linken Kräfte“ suchen.

Das klingt zwar vermessen. Es wird aber wichtig sein, ob die SPD darauf programmatisch reagieren muß, um sich die Konkurrenz am linken Flügel vom Leibe zu halten. Das würde den Spielraum für die Parteien der Bonner Regierungskoalition erweitern in einer Situation, da diese mit den Folgen ihrer Fusionen fertig werden müssen. Indes: Die ökonomischen Aufgaben, die durch die deutsche Einheit entstanden sind, locken, so steht zu vermuten, die großen Parteien wie gehabt eher zum Gerangel um die politische Mitte.



Quelle: Ludwig Dohmen, „Neues Blut für alte Parteien“, Rheinischer Merkur, Nr. 27, 6. Juli 1990.

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