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Die Wiedereinführung der Länder (19. April 1990)

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Andere Überlegungen gehen noch weiter. Sie geben zu erwägen, ob die DDR nicht in drei oder gar nur zwei Länder gegliedert werden solle. Bedenkt man, daß die DDR insgesamt der Größe Nordrhein-Westfalens entspricht, dann hat dieser Gedanke einiges für sich. Einem großen Südstaat, gebildet von Sachsen und Thüringen, würde ein Nordstaat entsprechen – entweder mit oder ohne Mecklenburg, das aufgrund seiner ausgeprägten historischen und landsmannschaftlichen Eigentümlichkeit eine gewisse Sonderrolle in allen Neugliederungs-Diskussionen spielt. Daß eine solche radikale Lösung keineswegs nur eine Reißbrett-Komposition aus technokratischem Geist darstellt, sondern ihre historische, politische und kulturräumliche Konsequenz hat, macht der Vorschlag des Dresdner Landeshistorikers Karlheinz Blaschke deutlich [ . . . ].

Ein besonderes Problem ergibt sich aus der Rolle Berlins. Soll die Stadt, ob als deutsche Hauptstadt oder nicht, ein eigenes Bundesland darstellen – so wie jetzt Westberlin im Kontext der Bundesstaatlichkeit der Bundesrepublik – oder soll ein Bundesland Berlin-Brandenburg gebildet werden? Für letzteres sprächen vornehmlich praktische Gründe. Ein Land Berlin-Brandenburg würde es ermöglichen, die Probleme planerisch einigermaßen in den Griff zu bekommen, die aus dem zu erwartenden großen „Verflechtungsraum“ um Berlin herum bis nach Brandenburg und Frankfurt/Oder entstehen. Außerdem würde Berlin das Schicksal etwa eines Stadtstaates wie Hamburg vermeiden. Die Hansestadt klagt seit langem bewegt – und begründet – darüber, daß sie zunehmend Industrie – und damit Steuererträge – an ihr Umland verliert, ohne für die kulturellen und sozialen Leistungen entgolten zu werden, die sie für das Umland erbringt. Andererseits fürchten die Westberliner in einem solchen Bundesland – so der FDP-Bundestagsabgeordnete Lüder – zur „brandenburgischen Kommune degradiert“ zu werden, während die Halbstadt doch jetzt immerhin Bundesland sei. Schwerer als dieses Argument wiegt vermutlich die Angst, mit dem eigenen Steueraufkommen nicht nur Ostberlin, sondern auch dem landschaftlich reizvollen, wirtschaftlich aber armen Brandenburg auf die Beine helfen zu müssen.



Quelle: Hermann Rudolph, „Auf den Grundmauern der Nachkriegszeit?“, Süddeutsche Zeitung, 19. April 1990.

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