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Die Wiedereinführung der Länder (19. April 1990)

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Für alle diese Gebiete hat die von der Regierung Modrow im vergangenen Jahr eingesetzte Kommission für die „Vorbereitung und Durchführung der Verwaltungsreform“ Bürgerentscheide vorgeschlagen. Aber in den Details der Neugliederung verstecken sich nicht nur sachlich-administrative Schwierigkeiten, sondern auch reizbare Gefühle und landsmannschaftliche Leidenschaften. Die Briefe, die dem für die örtlichen Staatsorgane in der Regierung Modrow zuständigen Minister Moreth zu diesem Thema zugegangen sind, zeigen das ebenso wie die Wünsche nach eigenen politisch-administrativen Strukturen, die in einzelnen Teilen der DDR laut geworden sind. So hat sich in Vorpommern, das nach der Abtrennung der Ost-Gebiete nach dem Kriege zu Mecklenburg geschlagen wurde, ein heftiges Sehnen nach Eigenständigkeit erhoben – ebenso wie in dem diesseits von Oder und Neiße gelegenen Teil Schlesiens, der heute zum sächsischen Bezirk Dresden gehört.

Andere Konflikte haben sich an der Frage der Hauptstädte der künftigen Länder entzündet. In Mecklenburg konkurriert mit der angestammten Hauptstadt Schwerin das in den DDR-Jahrzehnten zur wichtigsten Stadt an der Ostsee herangewachsene Rostock, und in Sachsen-Anhalt, dessen Hauptstadt Halle war, erhebt Magdeburg Ansprüche, das über lange Zeit hinweg das Zentrum der alten preußischen Provinz Sachsen gewesen ist. Auf dem Boden solcher Streitigkeiten sind bereits Vorstellungen wie die einer „Freien und Hansestadt“ Rostock entstanden – was zumindest ein Gradmesser für den Willen zur Eigenständigkeit darstellt, der hinter dem Entschluß zur Rückkehr zu den Ländern steht.

Beherrscht er den Zug zu den Ländern zu sehr? Offenkundig ist ja, daß die fünf Länder, die da entstehen würden, den deutschen Föderalismus nicht nur mit einem Zuwachs an Vielfalt bereichern, sondern auch mit vielen Problemen belasten würden. Nimmt man die Einwohnerzahl als Schlüssel, so vergrößerten die DDR-Länder in einem vereinigten Deutschland die Zahl der kleinen Länder, die ohnehin Mühe haben, die ihnen politisch verbürgte Eigenständigkeit wirtschaftlich und finanziell abzustützen. Nur Sachsen würde mit rund 5 Millionen Einwohnern noch im Mittelfeld rangieren, unmittelbar hinter Hessen. Alle anderen – Sachsen-Anhalt mit gut 3 Millionen, Brandenburg mit 2,7, Thüringen mit 2,5, Mecklenburg schließlich mit 2,1 Millionen – lägen zwischen Rheinland-Pfalz mit seinen 3,7 Millionen Einwohnern und den Schlußlichtern dieses Placements, den Stadtstaaten Westberlin mit 1,8 Millionen, Hamburg 1,6, dem Saarland mit rund einer Million sowie Bremen mit 650 000 Einwohnern. Die Zahl der „Armenhäuser“ – wie diese Länder respektlos angesichts ihrer geringeren wirtschaftlichen und finanziellen Leistungskraft genannt werden – würde sich vergrößern, die Spannungen im föderalen System, hervorgerufen von den notwendigen finanziellen Ausgleichszahlen, zunehmen.

Auch deshalb sind Überlegungen aufgekommen, die Wiederherstellung der Länder mit einer Neugliederung zu verbinden. Ihren Kernpunkt bildet die Aufteilung des Landes Sachsen-Anhalt; es ist ohnedies unter allen Ländern der DDR die künstlichste Gründung und hat in der Form, in der es wiederhergestellt würde, nur den kurzen historischen Augenblick zwischen 1945 und 1952 bestanden. Die Regierungskommission hat vorgeschlagen, den bisherigen Bezirk Magdeburg dem Land Brandenburg zuzuschlagen; der Bezirk Halle würde dann zu Sachsen kommen. Damit würden, wie es in dem Bericht der Kommission heißt, „im zentralen Teil der DDR zwei leistungsfähige, mit den Bundesländern mittlerer Größe in der Bundesrepublik vergleichbare Länder entstehen, die auch im gesamtdeutschen Maßstab eine wesentliche Rolle spielen könnten“.

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