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Das Beispiel Sket (21. Dezember 1992)

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Doch Sket ist ein Politikum. Demonstrierende Arbeiter, das hat das Beispiel der Werften in Mecklenburg-Vorpommern gelehrt, können Ministerpräsidenten stürzen. In der aufgeregten Betriebsversammlung stellte sich auch Wirtschaftsminister Rehberger lieber gegen Marx: „Dieses Konzept ist so nicht akzeptabel.“

Die antimarxistische Stimmung in Magdeburg drohte in neuen Klassenkampf umzuschlagen. „Weg mit dem Wessismus“, lautete eine Parole an der Stelle, wo vorher Meister Proper stand. Über 2200 Sket-Mitarbeiter forderten in einer Unterschriftenaktion den Rücktritt des neuen Managers nach dem Motto: „Ein Marx hat uns gereicht!!!“

Es wurde ein Sieg der Arbeiter: Eines Abends war Marx weg. Mitten in einer Sitzungsrunde im Magdeburger Wirtschaftsministerium verabschiedete er sich wegen eines Termins bei Rehbergers Bonner Amtskollegen Jürgen Möllemann. Kurz darauf, Anfang der vorvergangenen Woche, legte der Mann aus dem Westen entnervt seine Ämter nieder.

Wenige Tage später einigten sich Betriebsrat, Landesregierung, Treuhand und die übriggebliebenen drei Sket-Vorstände auf ein neues Sanierungskonzept. 2700 Arbeitsplätze sollen langfristig in Magdeburg erhalten bleiben. Das sind noch immer über 1000 Beschäftigte mehr, als Treuhand-Vize Hero Brahms eigentlich für „sinnvoll und realistisch“ hält.

Denn woher zusätzliche Aufträge kommen sollen, weiß niemand zu sagen. Klar ist nur, daß Sket die Treuhand noch eine Menge Geld kosten wird. „Aber mit Geld“, weiß Brahms, „kann man keine Märkte machen.“

Der kostspielige industrielle Kern wird der Treuhand noch lange zu schaffen machen. „Für das Kerngeschäft haben wir keinen einzigen Interessenten gefunden“, klagt Aufsichtsrat Kosegarten.

Einen zukunftssicheren Platz gibt es bisher nur für Meister Proper. Er kommt ins geplante Magdeburger Industriemuseum.



Quelle: „Weg mit dem Wessismus“, Der Spiegel, 21. Dezember 1992, S. 104-12.

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