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Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Verbot der KPD und Abschließende Begründung im Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum KPD-Verbot (17. August 1956)

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II. Abschließende Begründung im Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum KPD-Verbot (17. August 1956)


Dritter Abschnitt

[ . . . ]

II.

Die Verfassungswidrigkeit der KPD ist durch Urteil festzustellen.

Nach § 46 Abs. 3 BVerfGG ist mit der Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Partei ihre Auflösung und das Verbot von Ersatzorganisationen zu verbinden. Im Urteil vom 23. Oktober 1952 (BVerfGE 2,1 [71]) hat das Gericht diese Bestimmung angewandt, ohne sich mit der Frage ihrer Verfassungsmäßigkeit besonders auseinanderzusetzen. In der Rechtslehre sind Bedenken gegen ihre Vereinbarkeit mit dem Prinzip des Rechtsstaates und der Gewaltenteilung erhoben worden. Das Gericht vermag diese Bedenken nicht zu teilen. Die Auflösung der Partei ist keine selbständige Exekutivmaßnahme, sondern eine gesetzlich angeordnete, normale, typische und adäquate Folge der Feststellung der Verfassungswidrigkeit. Wenn mit dieser Feststellung die gegenüber anderen Organisationen bevorzugte Rechtsstellung der Partei entfällt, ist es nur sachgerecht, dass daran die gleiche Rechtsfolge geknüpft wird, die im Falle des Art. 9 GG für die Verfassungswidrigkeit einer Vereinigung vorgesehen ist. Die den Exekutivbehörden verbleibende Abwicklung der Organisation der Partei ist nicht Inhalt, sondern Folge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts.

Die Auflösung der KPD ist im Urteil auszusprechen. Sie erstreckt sich auf alle ihre satzungsmäßigen Organisationen. Mit der Auflösung ist das Verbot zu verbinden, Ersatzorganisationen zu schaffen oder bestehende Organisationen als Ersatzorganisationen fortzusetzen.

Auf nicht zur Partei gehörige, aber von ihr abhängige Organisationen, vor allem die sog. Tarnorganisationen, erstreckt sich hingegen die Auflösung nicht. Diese Organisationen nehmen nicht an dem Parteiprivileg des Art. 21 GG teil und fallen, soweit sie die verfassungsmäßige Ordnung verletzen, unter Art. 9 Abs. 2 GG.

Aus der Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Partei ergibt sich, wie das Bundesverfassungsgericht in dem Urteil vom 23. Oktober 1952 festgestellt hat, dass die Abgeordneten in den gesetzgebenden Körperschaften des Bundes und der Länder ihre Mandate verlieren [vgl. BVerfGE 2, 1 (72 ff.)]. Eines Ausspruchs über die Folgen dieses Mandatsverlustes durch besondere Vollstreckungsanordnung bedarf es nicht, da die KPD nur in den Parlamenten von Bremen und Niedersachsen durch Abgeordnete vertreten ist und diese Länder die Folgen des Mandatsverlustes gesetzlich geregelt haben.

Die Entscheidung über die Einziehung des Vermögens einer aufgelösten Partei ist nach § 46 Abs. 3 BVerfGG in das pflichtgemäße Ermessen des Bundesverfassungsgerichts gestellt. Dabei ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass eine Vermögenseinziehung nicht erforderlich ist, wenn entweder offensichtlich keine nennenswerten Vermögenswerte der aufgelösten Partei vorhanden sind oder ihre vermögensrechtlichen Verhältnisse so klar liegen, dass eine Auseinandersetzung in kürzester Frist möglich erscheint. In allen anderen Fällen dagegen, insbesondere wenn die Vermögensverhältnisse nicht übersichtlich sind, muss das Vermögen eingezogen werden, um zu verhindern, dass Organe der aufgelösten Partei unter dem Vorwand der Vermögensauseinandersetzung den Zusammenhalt der Partei aufrechterhalten. Aus diesen Erwägungen konnte auch die Rücksicht auf eine bei der Vorbereitung der Wiedervereinigung Deutschlands mögliche Neuzulassung einer kommunistischen Partei das Gericht nicht veranlassen, von der Einziehung des Vermögens abzusehen. Welche Maßnahmen in diesem Falle getroffen werden müssten, um zu verhindern, dass die Chancengleichheit der wiederzugelassenen Partei durch die Folgen der Vermögenseinziehung ernstlich geschmälert würden, muss zu gegebener Zeit von den zuständigen Organen geklärt werden.

Die Wirkung des Urteils tritt mit seiner Verkündung ein. Die Polizeibehörden haben alle dem Vollzug des Urteils dienenden Maßnahmen zu treffen, ohne durch andere als allgemein gültige rechtsstaatliche Regeln gehindert zu sein. Um die Durchführung zu vereinheitlichen, sind die Innenminister der Länder auf Grund des § 35 BVerfGG mit der Vollstreckung der Entscheidungen dieses Urteils zu Ziffer I. 2. und 3. zu beauftragen.



Quelle: Gerd Pfeiffer und Hans-Georg Strickert, Hg., KPD-Prozess. Dokumentarwerk zu dem Verfahren über den Antrag der Bundesregierung auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Kommunistischen Partei Deutschlands vor dem Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts. Karlsruhe 1956. Bd. 3, S. 745-46.

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