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Godesberger Programm der SPD (November 1959)

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Die Verbände, in denen sich Menschen der verschiedenen Gruppen und Schichten zu gemeinsamen Zwecken zusammenschließen, sind notwendige Einrichtungen der modernen Gesellschaft. Sie müssen eine demokratische Ordnung haben. Je machtvoller sie sind, desto größer ist ihre Verantwortung, aber auch die Gefahr des Machtmißbrauchs. Die Parlamente, die Verwaltung und die Rechtsprechung dürfen nicht unter den einseitigen Einfluß von Interessenvertretungen fallen.

Presse, Rundfunk, Fernsehen und Film erfüllen öffentliche Aufgaben. Sie müssen in Freiheit und Unabhängigkeit überall und ungehindert Informationen sammeln, bearbeiten, verbreiten und unter eigener Verantwortung Meinungen bilden und aussprechen dürfen. Rundfunk und Fernsehen müssen ihren öffentlich-rechtlichen Charakter behalten. Sie müssen freiheitlich-demokratisch geleitet und gegen Interessentendruck gesichert sein.

Die Richter bedürfen der äußeren und inneren Unabhängigkeit, um im Namen des Volkes allein dem Recht zu dienen. An der Rechtspflege sind ehrenamtliche Richter gleichberechtigt zu beteiligen. Nur unabhängige Richter dürfen Kriminalstrafen aussprechen. Wirtschaftliche Überlegenheit oder Schwäche dürfen keine Folgen für den Rechtsweg oder für die Rechtsprechung haben. Die Gesetze müssen der gesellschaftlichen Entwicklung zeitgerecht angeglichen werden, damit sie nicht zum Rechtsbewußtsein in Widerspruch geraten, sondern der Verwirklichung der Rechtsidee dienen.

Landesverteidigung

Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands bekennt sich zur Verteidigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Sie bejaht die Landesverteidigung.

Die Landesverteidigung muß der politischen und geographischen Lage Deutschlands gemäß sein und daher die Grenzen wahren, die zur Schaffung der Voraussetzungen für eine internationale Entspannung, für eine wirksame kontrollierte Abrüstung und für die Wiedervereinigung Deutschlands eingehalten werden müssen. Der Schutz der Zivilbevölkerung ist wesentlicher Bestandteil der Verteidigung des Landes.

Die Sozialdemokratische Partei fordert die völkerrechtliche Ächtung der Massenvernichtungsmittel auf der ganzen Welt.

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Wirtschafts- und Sozialordnung

Ziel sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik ist stetig wachsender Wohlstand und eine gerechte Beteiligung aller am Ertrag der Volkswirtschaft, ein Leben in Freiheit ohne unwürdige Abhängigkeit und ohne Ausbeutung.

Die zweite industrielle Revolution schafft Voraussetzungen, den allgemeinen Lebensstandard stärker als bisher zu erhöhen und die Not und das Elend zu beseitigen, die noch immer viele Menschen bedrücken.

Die Wirtschaftspolitik muß auf der Grundlage einer stabilen Währung die Vollbeschäftigung sichern, die volkswirtschaftliche Produktivität steigern und den allgemeinen Wohlstand erhöhen.

Um alle Menschen am steigenden Wohlstand zu beteiligen, muß die Wirtschaft den ständigen Strukturveränderungen planmäßig angepaßt werden, damit eine ausgeglichene Wirtschaftsentwicklung erreicht wird.

Eine solche Politik bedarf der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung und des Nationalbudgets. Das Nationalbudget wird vom Parlament beschlossen. Es ist verpflichtend für die Regierungspolitik, eine wichtige Grundlage für die autonome Notenbankpolitik und gibt Richtpunkte für die Wirtschaft, die das Recht zur freien Entscheidung behält.

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