GHDI logo

Geheimer Bericht der sowjetischen Militärführung über die Ereignisse vom 17.-19. Juni 1953 (24. Juni 1953)

Seite 2 von 8    Druckfassung    zurück zur Liste vorheriges Dokument      nächstes Dokument


Dies wurde von den durch das ZK der SED ergriffenen Maßnahmen begleitet, die Teil seiner verfehlten Politik der Liquidierung des kleinen und mittleren Bürgertums sowohl in der Stadt als auch auf dem Land waren und welche an einigen Orten die recht hässlichen Formen abgeschotteter Verwaltungsplanung und massenhafter Repressionen annahmen, die auch gegen Arbeiter gerichtet waren. Außerdem war der Entzug der Lebensmittelmarken für Fett, Fleisch und Zucker für das Kleinbürgertum angesichts des Fehlens dieser Produkte auf dem Verbrauchermarkt besonders schmerzhaft.

Funktionäre der SED und des Staatsapparats begannen unter dem Einfluss des Beschlusses des „Aufbaus des Sozialismus, ungeachtet jedweder Schwierigkeiten“, der aus dem 2. SED-Parteitag hervorgegangen war, den Kontakt mit der Masse der Bevölkerung zu verlieren und sich zunehmend auf Führungs- und Verwaltungsmethoden gegenüber Mitgliedern der SED zu stützen, indem sie die schädlichen Methoden als Anleitung benutzten, die innerhalb des Sekretariats des ZK der SED breite Anwendung finden. In etlichen Fällen verdrängten SED-Bezirks- und regionale Komitees die Regierungsorgane gänzlich, indem sie die Polizeiarbeit, Verhaftungen, die tägliche Verwaltung von Unternehmen, usw. unter ihre Befehlsgewalt brachten.

All diese und andere abträgliche Entwicklungen, die in der Resolution der sowjetischen Regierung vom 6. Juni erwähnt werden, waren die Hauptgründe für die Unruhen und Agitationen, die sich am 17.-19. Juni in der DDR ereignet haben.

Bereits lange vor dem 17. Juni gab es in bestimmten Gebieten der DDR sporadische Arbeiterstreiks in einigen Unternehmen, die sich gegen Erhöhungen der Produktionsnormen richteten, welche in Übereinstimmung mit Direktiven der Regierung und einzelner DDR-Ministerien ohne entsprechende begleitende organisatorische und technische Maßnahmen oder politische Arbeit unter den Arbeitern eingeführt wurden. Der Initiator und hauptsächliche Autor der Politik der Erhöhung der Produktionsnormen war [SED-Generalsekretär] Walter Ulbricht, der in etlichen öffentlichen Reden die Wichtigkeit dieser Maßnahmen recht aktiv betonte. Das ZK der SED schenkte diesen kurzlebigen Streiks keine Beachtung und verkündete erst unter starkem Druck durch die SKK nachlässig formulierte Direktiven über die Unzulässigkeit der Übersteigerung während der Kampagne zur Steigerung der Produktionsnormen; dies wurde jedoch von keinerlei organisatorischen Maßnahmen seitens des ZK der Partei begleitet, und die Ankündigung stieß größtenteils auf taube Ohren.

2. Ereignisse in Berlin am 16.-19. Juni

Am 14. Juni erhielten die Staatssicherheitsorgane der DDR und das SED-Stadtkomitee Berlin Informationen über Pläne zu Streiks gegen die Erhöhung der Produktionsnormen für Bauarbeiter in Berlin, insbesondere auf der Baustelle Stalinallee. Sie maßen dieser Information jedoch keinerlei Bedeutung bei und meldeten es nicht der Führung des ZK der SED und der SKK. Die Ereignisse, die folgten, kamen für die DDR-Führung vollkommen unerwartet.

Am Abend des 15. Juni verkündeten die Bauarbeiter in Berlin kategorische Forderungen nach Rücknahme der Erhöhung der Produktionsnormen, über die sie ohne vorausgehende Erklärungen durch ein Zurückhalten entsprechender Summen von ihrem Gehaltsscheck informiert wurden. Die Berliner Organisation der SED und der Magistrat Ost-Berlins reagierten in keiner Weise auf diese Forderungen.

Wie später bekannt wurde, waren Agenten aus West-Berlin und bisher unbekannte Verräter aus den DDR-Gewerkschaften aktiv an der Anstiftung der Arbeiterschichten beteiligt.

Am Morgen des 16. Juni schlugen 2000 von insgesamt 35-40 Tausend Bauarbeitern in Berlin im Stadtzentrum zu. Sie hatten ein Streikkomitee, das Verbindungen mit West-Berlin unterhielt. Die Bauarbeiter beschlossen, zum DDR-Regierungssitz zu marschieren, das sich in der Leipziger Straße, genau an der Grenze zwischen dem sowjetischen und dem westlichen Sektor Berlins befindet. Den Bauarbeitern schlossen sich auf dem Weg große Gruppen von West-Berliner Provokateuren an, die gegen die Regierung gerichtete Plakate trugen, auf denen der Rücktritt der DDR-Regierung gefordert wurde, die Fehler gemacht hätte, ebenso wie die Senkung der Preise in den Geschäften der KhO [Konsumhandels-Organisation] um 40%. Massen von Schaulustigen schlossen sich der Demonstration an, sodass etwa 5000 Menschen vor dem DDR-Regierungssitz versammelt waren.

erste Seite < vorherige Seite   |   nächste Seite > letzte Seite