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Hans Modrows Reformagenda (17. November 1989)

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Drittens ist eine Bildungsreform erforderlich. [ . . . ]

Viertens brauchen wir ein langfristig angelegtes, von Jahr zu Jahr realisierendes und neu zu prüfendes Programm, das zum Ziel haben sollte, Ökonomie und Ökologie mehr als bisher in Übereinstimmung zu bringen, wobei ich hinzufügen möchte, daß die DDR auf diesem Gebiet so schlecht nicht ist, wie es – durch unnötige Geheimhaltung – den Anschein hatte. Niemandem darf es künftig gestattet sein, geplante Umweltschutzmaßnahmen zu streichen oder zu verschleppen. Dringend notwendig ist ein neues Energiekonzept, das zur Senkung der fossilen Energieträger und des Energieeinsatzes führt.

Fünftens eine Verwaltungsreform mit dem Ziel, die staatliche Leitung und Verwaltung zu demokratisieren, ihre Arbeit überschaubarer zu machen sowie nicht zuletzt den Verwaltungsaufwand finanziell und personell erheblich zu verringern. [ . . . ]

Mit der angestrebten, ja bereits begonnenen Reform unseres politischen Systems wird auch der Weg zur Wahrung und Durchsetzung des Selbstbestimmungsprozesses des Volkes der DDR auf neuer Grundlage gegangen. Damit wird die Legitimation der DDR als sozialistischer Staat, als souveräner deutscher Staat erneuert. Nicht durch Beteuerungen, sondern durch eine neue Realität des Lebens in der DDR wird den ebenso unrealistischen wie gefährlichen Spekulationen über eine Wiedervereinigung eine klare Absage erteilt.

Die beiden deutschen Staaten haben bei aller Verschiedenheit ihrer Gesellschaftsordnungen eine jahrhundertealte gemeinsame Geschichte. Beide Seiten sollten die hierin liegende Chance begreifen, ihrem Verhältnis den Charakter einer qualifiziert guten Nachbarschaft zu geben.

Indem sich beide deutsche Staaten uneingeschränkt respektieren, können sie zugleich wertvolles Beispiel kooperativer Koexistenz schaffen. Die Regierung der DDR ist bereit, die Zusammenarbeit mit der BRD umfassend auszubauen und auf eine neue Stufe zu heben. Dies gilt für alle Fragen: Sicherung des Friedens, Abrüstung, für Wirtschaft, Wissenschaft und Technik, Umweltschutz, Verkehr, Post- und Fernmeldewesen, für die Kultur, den Tourismus und den umfangreichen humanitären Bereich.

Wir sind dafür, die Verantwortungsgemeinschaft beider deutscher Staaten durch eine Vertragsgemeinschaft zu untersetzen, die weit über den Grundlagenvertrag und die bislang geschlossenen Verträge und Abkommen zwischen beiden Staaten hinausgeht. Dafür ist diese Regierung gesprächsbereit. [ . . . ]



Quelle: Neues Deutschland, 17./18. November 1989.
Wiedergabe auf dieser Website mit freundlicher Genehmigung von Neues Deutschland.

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