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Mitbestimmungsrecht und Streikrecht: Brief Konrad Adenauers an den DGB-Vorsitzenden Hans Böckler und dessen Antwort (1950)

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Die deutschen Gewerkschaften haben wiederholt dem Bundestag und der Bundesregierung sowie der Öffentlichkeit ihre Ansicht über die Wirtschaftsdemokratie und ihre diesbezüglichen Wünsche bekanntgegeben. Sie stehen nach wie vor zu ihren Forderungen, weil sie in deren Verwirklichung die einzige Garantie für eine demokratische und zukunftssichere Entwicklung unseres Landes sehen.

In Ihrem Schreiben haben Sie die Auffassung vertreten, dass das Rechtsbewusstsein und die Rechtsordnung den Arbeitern das Streikrecht nur in Fragen des Tarifvertrages zugestanden haben. Ich kann dieser Ihrer Ansicht nicht beipflichten.

In diesem Zusammenhang möchte ich auf Artikel IX Absatz 3 des Grundgesetzes verweisen, in dem den Arbeitnehmern das Koalitionsrecht eingeräumt wird zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen. Es wird also den Arbeitnehmern nicht nur das Recht zugestanden, sich zu vereinigen zur Regelung der Lohn- und Arbeitsbedingungen, sondern auch, um ihren Auffassungen und ihren Interessen entsprechende Wirtschaftbedingungen zu gestalten. Auch das Tarifgesetz des Wirtschaftrates vom 9. April 1949 sagt in seinem Paragraphen 4, dass außer betrieblichen auch betriebsverfassungsrechtliche Fragen Gegenstand tarifvertraglicher Regelung sein können. Unter Betriebsverfassung muss aber die Gesamtheit der Regeln über die Rechtsstellung der Arbeitnehmerschaft im Betrieb einschließlich ihrer Stellung zum Arbeitgeber verstanden werden. Zu den Regeln über die Rechtsstellung der Arbeitnehmerschaft im Betrieb gehört ganz zweifellos auch das Mitbestimmungsrecht, und zwar nicht nur in sozialer und personeller, sondern auch in wirtschaftlicher Hinsicht.

Der Hauptvorstand der Industrie-Gewerkschaft Metall befindet sich ebenso wie der Hauptvorstand der Industrie-Gewerkschaft Bergbau in Fragen des Mitbestimmungsrechtes in voller Übereinstimmung mit dem Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes und damit auch mit mir.

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Quelle: Christoph Kleßmann, Die doppelte Staatsgründung. Deutsche Geschichte 1945-1955. Göttingen, 1982, S. 485-486.

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