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Erinnerungen des Augenzeugen Götz Bergander an die Bombardierung Dresdens (Rückblick)

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Dadurch, daß diese Taschenlampe anging, trat sofort Beruhigung ein, obwohl es so gekracht hatte, daß ich erst dachte, das ganze Haus liegt auf dem Keller drauf. Das Ganze dauerte ungefähr 15 Minuten, und dann haben wir wieder nur lauschen können, ob es ruhig wird draußen. Es wurde auch wieder still, und dieser Kontrast war besonders stark, ganz totenstill. Das war die größte Angst, immer, daß man in so einer Höhle drin sitzt und denkt, es ist nichts passiert, aber nicht mitkriegt, daß es oben drüber schon längst brennt. Und man kommt dann nicht mehr raus. Diese Angst war viel größer als die Angst, jetzt eventuell noch in eine Nachzüglerbombe zu kommen.

Als dieser zweite Angriff stattfand und ich auf dem Fußboden kauerte, da habe ich immer gedacht oder vor mich hingeredet. Ich habe gesagt: „Diese Schweine, diese Hunde, diese Feiglinge, diese Mistkerle“, irgend so was. Aber das war kein Haß, der sich jetzt direkt gegen einen dieser Flieger gerichtet hätte. Und das hat es auch hinterher selten gegeben. Es hat keine direkten großen Haßausbrüche gegeben.

Es ist mir auch nicht bekannt, daß in Dresden danach Übergriffe gegen alliierte Kriegsgefangene gewesen wären. Denn die britischen Kriegsgefangenen sind bereits am 15. Februar, direkt nach den Angriffen, in die Stadt geführt worden. Ich habe sie selber bereits am 15., also am nächstfolgenden Tage in der Stadt gesehen, wo sie überall Trümmer beiseiteräumen bzw. Leichen herausziehen mußten. Da war kaum Bewachung dabei, da stand irgend so ein Soldat mit einem uralten Gewehr daneben, und die Engländer bewegten sch höchst langsam und höchst unwillig, und die ganzen ausgebombten und betroffenen Leute standen ringsum. Ich habe an keiner Stelle gesehen, daß einer hingegangen wäre, einen bespuckt hätte oder einen Stein auf ihn geworfen hätte oder sonst etwas. Es war vielleicht zuviel gewesen; Apathie. Und der Schock war zu groß, um jetzt sein persönliches Gefühl an einem Gefangenen auszulassen, von dem man ja wußte, daß er vielleicht schon seit vier Jahren hier in Deutschland als Gefangener war.



Quelle: Johannes Steinhoff, Peter Pechel und Dennis Showalter, Hg., Deutsche im Zweiten Weltkrieg. Zeitzeugen sprechen. München: Schneekluth 1989, S. 324-29.

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