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Bericht des Hamburger Polizeipräsidenten über den Hamburger Feuersturm im Juli/August 1943

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Wenn noch heute an manchen Tagen bis zu 100 Gefallene und darüber hinaus gefunden und geborgen werden, so gibt auch das nur ein schwaches Bild. Die Vernichtung im ganzen ist so radikal, daß auch von vielen Menschen buchstäblich nichts geblieben ist. Bei einer losen Aschenschicht in einem großen Luftschutzraum konnte von den Ärzten die Zahl der Menschen, die hier ums Leben kamen, nur schätzungsweise mit 250 bis 300 angegeben werden. Eine genaue Ermittlung wird erst ermöglicht, wenn alle in jener Zeit in Hamburg anwesenden Personen sich, soweit sie leben, wieder gemeldet haben.

Die Schreckensszenen, die sich im Feuersturmgebiet abgespielt haben, sind unbeschreiblich. Kinder wurden durch die Gewalt des Orkans von der Hand der Eltern gerissen und ins Feuer gewirbelt. Menschen, die sich gerettet glaubten, fielen vor der alles vernichtenden Gewalt der Hitze um und starben in Augenblicken. Flüchtende mußten sich ihren Weg über Sterbende und Tote bahnen. Kranke und Gebrechliche mußten von den Rettern zurückgelassen werden, da diese selbst in Gefahr gerieten, zu verbrennen.

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Und jeder dieser flammendurchzuckten Nächte folgte ein Tag, der das Grauen in dem fahlen und unwirklichen Licht eines qualmverdeckten Himmels zeigte. Hochsommerliche Hitze, durch die Glut der Feuerstürme ins Unerträgliche gesteigert, feinster, alles durchdringender Staub aus der aufgewühlten Erde und den Ruinen und Trümmern zerstörter Stadtgebiete, Ruß und Aschenregen und wieder Hitze und Staub, über allem ein pestilenzartiger Geruch verwesender Leichen und schwelender Brände drückten auf die müden Menschen.

Und diesen Tagen folgten neue Nächte mit neuem Grauen, noch mehr Qualm und Ruß, Hitze und Staub, mit noch mehr Tod und Vernichtung. Den Menschen wurde keine Zeit gelassen, zu ruhen oder planmäßig Hab und Gut zu retten oder nächste Angehörige zu suchen. Der Feind hetzte durch unaufhörliche Angriffe, bis das Werk der Vernichtung vollendet war. Sein Haß triumphierte in den Feuerstürmen, die Menschen wie Materie in gleicher Weise unbarmherzig vernichteten.

Das utopisch anmutende Bild einer schnell verödenden Großstadt ohne Gas, Wasser, Licht und Verkehrsverbindungen, mit den Steinwüsten einst blühender Wohngebiete war Wirklichkeit geworden.

Die Straßen waren mit Hunderten von Leichen bedeckt. Mütter mit ihren Kindern, Männer, Greise, verbrannt, verkohlt, unversehrt und bekleidet, nackend und in wächsener Blässe wie Schaufensterpuppen, lagen sie in jeder Stellung, ruhig und friedlich oder verkrampft, den Todeskampf im letzten Ausdruck des Gesichts. Die Schutzräume boten das gleiche Bild, grausiger noch in seiner Wirkung, da es zum Teil den letzten verzweifelten Kampf gegen ein erbarmungsloses Schicksal zeigte. Saßen an einer Stelle die Schutzrauminsassen ruhig, friedlich und unversehrt wie Schlafende auf ihren Stühlen, durch Kohlenoxydgas ahnungslos und ohne Schmerzen getötet, so zeigt die Lage von Knochenresten und Schädeln in anderen Schutzräumen, wie ihre Insassen noch Flucht und Rettung aus dem verschütteten Gefängnis gesucht hatten.

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