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August Bebels Reichstagsrede gegen die Kolonialpolitik in Deutsch-Ostafrika (26. Januar 1889)

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Ich habe auch das Vertrauen zum deutschen Volke, daß es gegen eine solche Kolonialpolitik, wenn es zur Erkenntnis derselben kommt, durch entsprechende Wahlen in der allerentschiedensten Weise Opposition machen und Protest erheben wird. Meine Herren, uns in diese Art von Abenteuer zu begeben, ohne daß für die ungeheure Mehrheit der Bevölkerung auch nur im allerentferntesten irgendwelche Vorteile daraus hervorleuchten, wohingegen umgekehrt der ganze Vorteil aus einem solchen Unternehmen nur einer kleinen Minorität Reicher zufällt – die, wenn sie überhaupt ihren Reichtum vermehren will, das auf Kosten ihrer eigenen Mittel tun mag –, dafür können wir uns nicht begeistern, dafür wird sich meiner festen Überzeugung nach das deutsche Volk, wenn es klar einsieht, wohin es auf diesem Wege der Kolonialpolitik geführt werden soll, ebenfalls nicht begeistern.

Sitzen wir aber erst einmal an den Fieberküsten Ostafrikas fest, dann werden auch noch ganz andere Forderungen an uns herantreten; dann wird es vor allen Dingen heißen: Nachdem wir einmal soundso viel Gut und Blut für jene Lande geopfert und aufgewendet haben, ist es ein Gebot der nationalen Ehre, dieselben zu halten; was immer es kosten mag, wir müssen dafür eintreten. Dann wird in erster Linie notwendig, eine bedeutende Verstärkung der Flotte vorzunehmen – Herr von Kardorff nickt mir bereits zustimmend zu –; es wird ferner notwendig, eine bedeutende Anzahl von Kolonialtruppen aus deutschen Reichsmitteln zu unterhalten. Es wird dann heißen: Wir müssen uns derartig in unserer Marine rüsten, daß wir im Falle einer europäischen Krisis nicht nur unsere heimatlichen Küsten, sondern auch unsere Kolonien in fremden Ländern ausreichend schützen und verteidigen können.

So werden Sie mit Ihrer Kolonialpolitik Schritt für Schritt weitergetrieben, ohne daß Sie heute nur entfernt imstande sind zu wissen, welche Opfer Ihnen dadurch zugemutet werden. Aber daß dies geschehen wird, kann nach meiner Überzeugung gar keinem Zweifel unterliegen für jeden, der irgendwie die Verhältnisse kennt und den Gang der Dinge beobachtet hat.

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Wir unsererseits erklären, mag man es immerhin als eine Art Hoch- oder Landesverrat oder irgendwie sonst qualifizieren, wir werden gegen diese Vorlage stimmen. Ich erkläre auch, ich habe gegenüber der jetzigen Leitung der deutschen Reichspolitik nicht das Vertrauen zu glauben, daß sie, soweit sie ihre Organe in Afrika hat, etwa besondere Anstrengungen daransetzen wird, die Kolonisation des Landes in wirklich humanem und sogenanntem christlichen Sinne ausüben zu lassen. Meine Herren, ein System, das jede mißliebige Partei sofort mit Ausnahmegesetzen bedenkt, ein System, das es kaltblütig fertiggebracht hat, daß Zehntausende und aber Zehntausende friedlicher Bewohner rücksichtslos über die Landesgrenzen getrieben wurden, ein System, das bisher sich hartnäckig geweigert hat, den einheimischen Arbeitern die so nötige Schutzgesetzgebung zuteil werden zu lassen, ein System, das jeden persönlichen Gegner rücksichtslos durch alle möglichen Verfolgungen und Prozesse zu vernichten trachtet – zu einem solchen System haben wir kein Zutrauen, ihm folgen wir nicht.

(„Bravo!“ bei den Sozialdemokraten.)



Quelle: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstags. Berlin, 1889, 7. Legislaturperiode, 4. Sitzung 1888/89, 1. Bd., 26. Januar 1889, S. 627-31.

Abgedruckt in August Bebel, Ausgewählte Reden und Schriften, Bd. 2, Erster Halbband, 1878 bis 1890, Hg. Ursula Herrmann et al. Berlin: Dietz Verlag, 1978, S. 523-33.

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