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August Bebels Reichstagsrede gegen die Kolonialpolitik in Deutsch-Ostafrika (26. Januar 1889)

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Es wird allerdings als eigentliches Ziel aufgestellt, es handle sich um die Verbreitung europäischer Zivilisation, europäischer Kultur, um die Verbreitung des Christentums, es gelte vor allen Dingen, dem scheußlichen Sklavenhandel und den Sklavenjagden ein Ende zu machen. Aber, meine Herren, den Kernpunkt der Sache, der erst den Sklavenhandel und die Sklavenjagden zur Folge hat, die Sklaverei an sich, wollen Sie nicht aufheben. Es ist keinem von Ihnen bisher auch nur eingefallen, das hervorzuheben oder auch nur anzudeuten. Wir haben im Gegenteil sowohl aus dem Munde des Herrn Reichskanzlers in der vorigen Debatte wie aus dem Munde des Herrn von Helldorff und des Herrn Stoecker und anderer gehört, daß die Sklaverei in Afrika eine Notwendigkeit sei, daß die Sklaven, wenn sie befreit würden, eigentlich gar nicht wüßten, was sie anfangen sollten. Und der Herr Reichskanzler speziell hat noch darauf hingewiesen, daß die Sklaverei dort aufzuheben um deswillen ein kühnes Unterfangen sei, weil dies ohne Entschädigung an die Sklavenbesitzer nicht möglich sei. Nun, warum das letztere eintreten soll, verstehe ich in der Tat nicht. Wenn eine unrechtmäßige Gewalt, die der Mensch über den Menschen ausübt, wie bei der Sklaverei, aufgehoben werden soll, warum dies nicht ohne Entschädigung soll stattfinden können, sehe ich für meine Person nicht ein. Ich erinnere nur daran, daß, als die Vereinigten Staaten die Sklaverei aufhoben, es geschah ohne jede Entschädigung, als Folge eines großen Krieges.

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Nun, meine Herren, welcher Art ist denn das Verhältnis, wenn Sie diesen Gesetzentwurf annehmen, in welches das Deutsche Reich zu der Ostafrikanischen Gesellschaft tritt? Glauben Sie etwa, daß das Deutsche Reich die Ostafrikanische Gesellschaft in der Tasche habe? Das glaube ich nicht; das gerade Gegenteil dürfte der Fall werden: Die Ostafrikanische Gesellschaft hat das Deutsche Reich in der Tasche. Der Reichskanzler, oder wer immer diese Stelle einnimmt, wird in Wahrheit nichts anderes als der erste Verwaltungsbeamte der Ostafrikanischen Gesellschaft.

(Lachen rechts.)

Nun frage ich aber: Welche Garantie hat bis jetzt diese Gesellschaft geboten, um nur annehmen zu können, daß sie in irgendeiner Weise den Aufgaben, die Sie ihr gestellt haben, gerecht zu werden vermöchte? Nicht die geringste! Die Gesellschaft soll ein Organ des deutschen Volkes sein! Das deutsche Volk kennt nicht einmal die Personen, aus denen die Ostafrikanische Gesellschaft zusammengesetzt ist. Daß aber die Ostafrikanische Gesellschaft sich nicht dazu herbeilassen wird, die sogenannte zivilisatorische Mission zu erfüllen, die Sie ihr als Hauptaufgabe zuweisen, das liegt bei ihr als einer Organisation zur Ausbeutung des ostafrikanischen Schutzgebietes und der ostafrikanischen Bevölkerung auf der Hand. Die Gesellschaft wird nur an die Wahrung ihrer Interessen denken. Nun ist es aber ganz zweifellos, daß, wenn erst einmal die Ostafrikanische Gesellschaft als Institution mit Unterstützung und Hilfe des Reichs in Wirksamkeit erhalten werden soll, wir ganz unzweifelhaft von einer Verlegenheit in die andere kommen.

Herr von Bennigsen hat allerdings vorher in seinen Worten einen großartigen Optimismus zur Schau getragen. Er hat getan, als seien die Opfer, die von seiten des Deutschen Reichs gebracht würden, so gering, daß sie gar nicht in Betracht kämen und daß sie überdies in nicht allzulanger Zeit nicht mehr nötig seien. Meine Herren, diesen Optimismus besitzt nicht einmal die Reichsregierung. Wir sehen das in dieser Vorlage am Schluß, wo in dürren Worten erklärt wird, daß, falls die jetzt erforderte Summe nicht reiche, man später mit neuen kommen würde, die alsdann einfach in den Reichsetat eingestellt werden würden. Die Geschichte aller Kolonisationen beweist uns, daß das im reichsten Maße der Fall sein wird. Zum Überfluß haben wir auch aus den Stimmungen, die im Reichstag bei den verschiedenen Debatten laut geworden sind, zur Genüge kennengelernt, daß ein großer Teil des Reichstags vor sehr bedeutenden Opfern, seien sie noch so groß, nicht zurückschrecken wird.

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