GHDI logo

Die Stimmungslage in Bayern und anderen Bundesstaaten aus britischer Sicht (3. Dezember 1866)

Seite 3 von 4    Druckfassung    zurück zur Liste vorheriges Dokument      nächstes Dokument


Sollte Österreich künftig versuchen, seine verlorene Stellung durch ein Bündnis mit Frankreich wiederzuerlangen – eine keineswegs unwahrscheinliche Eventualität –, wird die Situation Bayerns eine sehr schwierige sein. Preußens Interesse wird sicherlich dahingehen, wie [der bayerische Ministerpräsident] Freiherr von der Pfordten in Berlin gegenüber Graf Bismarck vorbrachte, es so gut wie möglich zu beschwichtigen und es ebenso wie die anderen süddeutschen Staaten nicht in ein französisch-österreichisches Bündnis zu treiben.

Von Österreich kann man nicht mehr als einer deutschen Macht sprechen, aber man muss sich vergegenwärtigen, dass es mehrere Millionen deutsche Untertanen hat, die, nach der in jüngster Zeit in den Landtagen der deutschen Provinzen geführten Sprache zu urteilen, nicht bereit sind, ihren Ausschluss aus Deutschland als endgültiges Arrangement anzuerkennen.

Also ergibt sich in Österreich eine deutsche Frage, die eine weitere Verlegenheit zu all den anderen, nahezu überwältigenden Schwierigkeiten hinzufügt, die seinen Weg plagen: Inzwischen ist es müßig, die Frage zu diskutieren, ob Österreich sich nicht wenigstens teilweise seine eigenen Missgeschicke durch unzählige politische Fehler selbst eingebrockt hat und durch kaum einen größeren als denjenigen, den es beging, als es sich – ohne ausreichende Mittel – den Bemühungen verschrieb, seine Stellung in Italien und Deutschland zu wahren. Es genügt wohl, festzustellen, dass seine gegenwärtige Schwächung nur Gegenstand des Bedauerns sein kann, und dass sein Bestehen als Großmacht mit Sicherheit ein europäischer Belang ist.

Ohne auf die Frage einzugehen, ob die jüngsten Gebietsveränderungen in Deutschland letztlich zum Guten oder Schlechten gereichen, ist es doch unbestreitbar, dass die unmittelbare Sachlage, die sie erzeugt haben, alles andere als zufriedenstellend ist.

Statt einer allgemeinen Abrüstung nach dem Frieden werden die finanziellen und persönlichen Lasten der Menschen durch erhebliche Erweiterungen der Kriegshaushaltsvoranschläge und der zahlenmäßigen Stärke der Armeen mehrerer Länder erhöht, und die Wissenschaft scheint überwiegend als Mittel zur Erfindung neuer Tötungsinstrumente geschätzt zu werden. – Selbst Preußen, dessen Erfolge so brillant gewesen sind, und dessen militärische Organisation sich als so wirksam erwiesen hat, stockt sein Heeresbudget auf und ergänzt hauptsächlich seine eigenen Kavallerietruppen, während es die Ressourcen der neu erworbenen Gebiete für militärische Zwecke stark beansprucht und von seinem neuen Verbündeten, oder eher Vasallen, dem König von Sachsen, eine Verdoppelung seiner Armee verlangt. – In den Staaten Deutschlands, in denen bisher eine allgemeine Wehrpflicht nicht bestand, wird sie nun eingeführt, und ganz Deutschland wird wie Preußen bald in ein riesiges Militärlager umgewandelt werden. Diese Lage der Dinge ist zweifelsohne durch den Ehrgeiz einer Macht zustande gekommen – nämlich Preußens, das die große geistige Überlegenheit, die es besitzt, eher auf die Pflege der Kriegskunst als auf jene des Friedens gerichtet hat.

Es bleibt anzumerken, dass das Gefühl des Unbehagens in Deutschland durch den Eindruck noch verstärkt wird, dass, wenn die Pariser Weltausstellung nächstes Jahr vorüber sein wird und Frankreich seine Militärvorbereitungen abgeschlossen hat, es einen Krieg mit Deutschland suchen wird, um jene Entschädigungen für die Vergrößerung Preußens zu holen, die es bereits umrissen hat, von denen es jedoch bereits gelernt hat, dass sie nur der überlegenen Gewalt überlassen werden. Gleich, ob die so gehegten Ängste bezüglich des eventuellen Kurses Frankreichs und der möglicherweise daraus hervorgehenden Allianzen sich in etwa 17 oder 18 Monaten verwirklichen oder nicht, erzeugt doch ihr Vorhandensein ein Gefühl der Unsicherheit mit Blick auf die Zukunft und liefert einen Beweggrund für militärische Vorbereitungen auf Seiten Deutschlands.

erste Seite < vorherige Seite   |   nächste Seite > letzte Seite