GHDI logo

Die Stimmungslage in Bayern und anderen Bundesstaaten aus britischer Sicht (3. Dezember 1866)

Seite 2 von 4    Druckfassung    zurück zur Liste vorheriges Dokument      nächstes Dokument


Die Freie Stadt Frankfurt hört nicht auf, den Verlust ihrer Unabhängigkeit und jener liberaler Institutionen zu beklagen, die zu behaupten sie selbst im Gegensatz zu den mächtigsten Mitgliedern des früheren Deutschen Bundes, Österreich und Preußen, verstand, und sieht wesentliche Bestandteile ihres Wohlstands vom Ruin bedroht.

Hinsichtlich des Herzogtums Holstein scheint es mir, dass es, einmal vertraglich von Dänemark getrennt, unter dessen Herrschaft es ungeachtet gewisser Nachteile eine seither nicht mehr gekannte Prosperität erlebte, nun da es Preußen einverleibt wurde, einem glücklicheren Schicksal entgegengeht, als wenn man es wie erwogen zu einem bloßen Vasallenstaat gestalten würde.

Dasselbe lässt sich über das Herzogtum Schleswig sagen, vorausgesetzt, Preußen umgeht nicht, wie es dies allem Anschein nach beabsichtigt, die Bestimmungen des Prager Friedens, nach denen die nordschleswigschen Gebiete wieder Dänemark anzugliedern sind, falls sie dies wünschen sollten.

Soviel zu den annektierten Staaten. Unter denen, die zusammen mit Preußen den Norddeutschen Bund bilden sollen, ist der einzige bedeutende das Königreich Sachsen, und die jüngsten Verhandlungen der sächsischen Abgeordnetenkammer zeigen, wie viel mehr guten Willen Preußen erzeugt hätte, und wie viel einfacher es die Aufgabe der Eingliederung finden würde, wenn es gegenüber den Besiegten mehr Großzügigkeit bekundet und weniger harte Bedingungen verhängt hätte.

Unter den anderen deutschen Staaten kann Hessen-Darmstadt, mit einem Fuß im Norddeutschen Bund, mit dem anderen draußen, kaum in Betracht gezogen werden.

Bei den unabhängigen Staaten lehnt sich Baden ganz an Preußen an und wünscht dem Norddeutschen Bund beizutreten, kann jedoch den Beitritt nicht erreichen, weil Preußen seine Eroberungen noch nicht verdaut hat und sich gegenwärtig scheut, einen Bruch mit Frankreich dadurch herbeizuführen, dass es sich in die Staaten südlich des Mains einmischt.

In Württemberg dagegen, so wird mir gesagt, habe eine antipreußische Haltung und der Wunsch nach Bewahrung der Unabhängigkeit des Landes, verbunden mit einer Verständigung mit den anderen süddeutschen Staaten, derzeit eindeutig die Oberhand.

In Bayern ist das österreichische Bündnis völlig aufgegeben worden, und die öffentliche Meinung weist auf die Notwendigkeit einer Allianz mit Preußen hin, ganz besonders gegen französische Aggression. Doch gleichzeitig scheint die vorherrschende Ansicht im Lande zur jetzigen Zeit gegen eine Opferung seiner Unabhängigkeit gerichtet zu sein, wie sie ein von Preußen erwogener Beitritt zum Norddeutschen Bund mit sich bringen würde. Hätte Preußen wirklich die Bildung eines Bundesstaates auf gerechter Grundlage beabsichtigt, wären Bayern und die restlichen unabhängigen Staaten in aller Wahrscheinlichkeit bereit gewesen, ihm beizutreten. Aber erstens verweigert ihnen Preußen derzeit, aus Gründen, die ich vorgebracht habe, die Aufnahme in einen Bund mit ihm zusammen, und zweitens besteht seine Zielsetzung offensichtlich darin, einen, wie die Deutschen es nennen, Einheitsstaat zu schaffen – in anderen Worten, kein Großdeutschland, sondern ein ausschließlich preußisches –, was aber auf die Gefühle der meisten Süddeutschen abstoßend wirkt. Preußen bevorzugt daher, so scheint es, gegenüber dem Verfolg des ultimativen Erreichens seines Ziels in einem erweiterten Rahmen vorerst die Konsolidierung seiner Macht im Norden Deutschlands über den Weg eines ganz Deutschland umfassenden Bundes, und vertraut dabei zweifellos auf das frühere oder spätere Auftreten von Umständen, die es ihm gestatten könnten, den süddeutschen Staaten seine eigenen Bedingungen aufzuerlegen.

erste Seite < vorherige Seite   |   nächste Seite > letzte Seite