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Friedrich Graf von Beust preist den Deutschen Bund (1887)

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Und wie sah es in den einzelnen Staaten des Deutschen Bundes aus? Gab es einen, an welchem Gladstone sich hätte versuchen können? In den siebziger Jahren befand ich mich einmal in Sachsen zu kurzem Besuch — es war der Moment, wo Fürst Bismarck den ersten Anlauf zur Uebernahme der in den einzelnen Staaten vorhandenen Staatseisenbahnen auf das Reich unternommen hatte. Dagegen regte sich starke Opposition, und ein nationalliberales Blatt klagte darüber mit den Worten: „dieser Partikularismus gemahne an die schlimmsten Beust’schen Zeiten.“ — „Beleuchte“ — sagte ich zu einem alten Freunde — „die schlimmsten Beust’schen Zeiten. Damals hatte der Sachse noch nicht das Hochgefühl, Elsass erobert zu haben, dagegen machte die elsässische Industrie der sächsischen nicht Konkurrenz; ferner hatte der Sachse nicht das Hochgefühl, eine Kriegsflotte zu besitzen, dagegen schwammen die Erzeugnisse seiner Industrie bei Weitem mehr auf den Meeren als jetzt, und sie hatten unter der Abwesenheit der Kriegsflotte eben so wenig als die schweizerischen zu leiden; er hatte auch nicht das Hochgefühl, ein Angehöriger der ersten Militärmacht zu sein, dagegen war für ihn die harmlose Befriedigung, wenn Sachsens Stimme einmal sich vernehmen liess oder sein Minister Mitglied einer europäischen Konferenz wurde, weniger kostspielig, während er jetzt 60 000 Mann zu stellen hat, damals nicht viel mehr als ein Dritttheil dieser Anzahl von ihm verlangt wurde, ohne Beeinträchtigung der Sicherheit und des Friedens im Lande. Endlich hatte der Sachse noch nicht das Hochgefühl, dass, wenn er in Buenos-Ayres etwa gemisshandelt werden sollte, ein Panzerschiff erscheinen werde, um seine Peiniger zu züchtigen; indessen widerfuhr ihm solches Abenteuer selten, wogegen er sehr oft in den Fall kam, in Paris, London und Petersburg Unterstützung und Hülfe zu bedürfen, in welchem Fall er früher bei der sächsischen Gesandtschaft stets das grösste Entgegenkommen schon aus dem doppelten Grunde fand, weil diese Gesandtschaften Zeit und Mittel für ihn hatten, während er jetzt bei der Deutschen Botschaft in den allgemeinen Topf geworfen wird, wobei, angesichts der grossen Anzahl der Hülfesuchenden, für den Einzelnen wenig übrig bleibt, und weil die kleinen Gesandtschaften daran zu denken hatten, dass das Budget des Auswärtigen in den Kammern unangefochten bleibt.



Quelle: Friedrich Ferdinand Graf von Beust, Aus drei Viertel-Jahrhunderten. Erinnerungen und Aufzeichnungen, 2 Bde. Stuttgart: Verlag der J.G. Cotta’schen Buchhandlung, 1887, Bd. 1, 1809-1866, Kap. 30, S. 421-23; Bd. 2, 1866-1885, Kap. 3, S. 31-33.

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