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Bismarck zur „pragmatischen” Kolonisierung (26. Juni 1884)

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Ich denke mir also, daß man dann entweder unter dem Namen eines Konsuls oder eines Residenten bei einer derartigen Kolonie einen Vertreter der Autorität des Reiches haben wird, der Klagen entgegenzunehmen hätte, und daß irgendeines unserer See- und Handelsgerichte — sei es in Bremen oder Hamburg oder wo sonst — die Streitigkeiten entscheiden wird, die im Gefolge der kaufmännischen Unternehmungen entstehen könnten.

Unsere Absicht ist, nicht Provinzen zu gründen, sondern kaufmännische Unternehmungen, aber in der höchsten Entwickelung, auch solche, die sich eine Souveränität, eine schließlich dem Deutschen Reich lehnbar bleibende, unter seiner Protektion stehende kaufmännische Souveränität erwerben, zu schützen in ihrer freien Entwickelung sowohl gegen die Angriffe aus der unmittelbaren Nachbarschaft als auch gegen Bedrückung und Schädigung von seiten anderer europäischer Mächte. Im übrigen hoffen wir, daß der Baum durch die Tätigkeit der Gärtner, die ihn pflanzen, auch im ganzen gedeihen wird, und wenn er es nicht tut, so ist die Pflanze eine verfehlte, und es trifft der Schade weniger das Reich, denn die Kosten sind nicht bedeutend, die wir verlangen, sondern die Unternehmer, die sich in ihren Unternehmungen vergriffen haben. Das ist der Unterschied: bei dem System, welches ich das französische nannte, will die Staatsregierung jedesmal beurteilen, ob das Unternehmen ein richtiges ist und ein Gedeihen in Aussicht stellt; bei diesem System überlassen wir dem Handel, dem Privatmann die Wahl, und wenn wir sehen, daß der Baum Wurzel schlägt, anwächst und gedeiht und den Schutz des Reiches anruft, so stehen wir ihm bei, und ich sehe auch nicht ein, wie wir ihm das rechtmäßig versagen können.




Quelle: Rede vor dem Reichstag, 26. Juni 1884, in Otto von Bismarck, Werke in Auswahl. Jahrhundertausgabe zum 23. September 1862, Hg. Gustav Adolf Rein et al., 8 Bde, Bd. 7, Reichsgestaltung und Europäische Friedenswahrung, Teil 3, 1883-1890, Hg. Alfred Milatz. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2001, S. 162-80, hier S. 167, 169-70.

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