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Sozialer Antagonismus zwischen Protestanten und Katholiken (1870er-1880er Jahre)

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Namentlich in den kleineren und mittleren Städten waren die Katholiken aus den gesellschaftlichen Kreisen und vom freundschaftlichen Verkehr mit Nichtkatholiken nahezu ausgeschaltet. Sogar die geschäftlichen Beziehungen wurden durch das politische Parteiprogramm und die konfessionelle Frage beeinflußt.

In einzelnen Städten, so in M.Gladbach und Düsseldorf, wurden sogenannte »schwarze Listen« gedruckt und in den Kreisen der liberalen Parteigenossen verbreitet, in der Absicht, dadurch auf die »ultramontanen« Geschäftsinhaber einen Druck auszuüben oder sie seitens der liberalen Kundschaft boykottieren zu lassen. Wenn gar politische oder kommunale Wahlen die Leidenschaften noch mehr aufgewühlt hatten, war die Entlassung von Arbeitern und Privatbeamten, die ihrer Ueberzeugung nach für Zentrumskandidaten ihre Stimme abgegeben hatten, durchaus keine Seltenheit. Am 25. September 1882 sagte Windthorst in einer Wählerversammlung zu Krefeld u. a.: »Es hat mich mit innigem Schmerze erfüllt, als ich früher schon und heute wieder vernahm, daß es hier Fabrikherren gegeben hat – hoffentlich gibt's deren heute nicht mehr – welche ihre Arbeiter wegen freier Ausübung des Wahlrechts materiell bedrückt, ja aus dem Dienste entlassen und wenigstens momentan brotlos gemacht haben. Das erachte ich für eine Schmach!«

Daß die mittelbaren und unmittelbaren Staatsbeamten der unteren Kategorien von der höheren Stelle bei öffentlichen Wahlen auf ihre Abstimmung geprüft wurden, fand selbst die Mehrheit des Abgeordnetenhauses ganz in der Ordnung.

Wie hoch und heiß in solchen Wahlkämpfen bei politischen und noch mehr bei Gemeindewahlen das Feuer des konfessionellen Hasses aufloderte, läßt sich in unseren Tagen kaum mehr begreifen. Wurde doch vom Düsseldorfer liberalen Wahlkomitee das Ergebnis der Landtagswahl, bei welcher dank einer geradezu raffinierten Wahlkreisgeometrie der Zentrumspartei zwei Mandate entrissen und der liberalen Partei überliefert worden waren, dem Reichskanzler mit den Worten telegraphiert: »Ein schöner Wahlkreis ist dem Vaterland wiedererobert!« Ueber amtliche und private Wahlbeeinflussungen wissen die Akten der Wahlprüfungskommission aus jenen Tagen geradezu unglaubliche Dinge zu erzählen.

Was sich selbst in katholischen Gegenden namentlich die unteren Beamten den Katholiken gegenüber erlaubten, hält man heute kaum noch für möglich.

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