GHDI logo

Gründungsmanifest des Evangelischen Bundes (1887); Mitgliederstatistiken (1887-1913)

Seite 3 von 5    Druckfassung    zurück zur Liste vorheriges Dokument      nächstes Dokument


Evangelische Glaubens- und Volks-Genossen! Der Kulturkampf neigt seinem Ende zu. Aber der Kampf mit Rom dauert fort: er wird dauern „so lange noch ein Ketzer im Lande ist", oder wie wir meinen, bis die Wahrheit des Evangeliums in ganz Deutschland zum Siege hindurchgedrungen ist. Das evangelische Volk muß diesen Kampf aufnehmen mit vereinter und nachhaltiger Kraft.

Vorweg gilt es energische Gegenwehr. In alle Windungen hinein ist die unterminirende Arbeit des jesuitischen Geistes und seiner Werkzeuge zu verfolgen. Fälschungen der Geschichte, Verdächtigungen unserer Kirche, Verkümmerungen ihrer Rechte, insbesondere das Verhalten des römischen Klerus in Sachen der Mischehen und der Erziehung der aus diesen Ehen entsprossenen Kinder, nicht minder die aus den falschen Paritäts-Begriffen herfließenden Nachgiebigkeiten gegen römische Anmaßung, sowie jede Art der Verleugnung des evangelischen Glaubens müssen aus Licht gezogen, jene planmäßig bekämpft, diese ohne Ansehen der Person öffentlich gekennzeichnet werden.

Der Abwehr aber hat der Angriff zur Seite zu gehen. Jedermann soll das wahre Wesen des immer mehr dem Jesuitismus verfallenden Romanismus und seine letzten Ziele kennen lernen. Indem wir zu solch’ einem Kampfe aufrufen, bleiben wir uns der Pflichten wohlbewußt, welche wir gegenüber unsern katholischen Mitbürgern zu erfüllen haben, damit der Riß des confessionellen Gegensatzes nicht immer tiefer und weiter greife. Wo in ihrer Mitte sich christliche Sinnesweise offenbart und bethätigt, da wollen wir das Band der vorhandenen religiös-sittlichen Gemeinschaft zu bewahren, die Liebe zum gemeinsamen Vaterlande zu stärken suchen: nicht minder jedoch nach Pflicht und Gewissen das Unsere thun, um ihnen die Augen zu öffnen über die an erster Stelle sie selber bedrohende Gefahr, die Niederzwingung jeder, auch der letzten freien Geistesregung unter ein fremdes Joch. Und wo der Protest des in der Wahrheit gebundenen Gewissens schon laut geworden ist, da überall wollen wir hilfreiche Hand bieten, das Schwache aufzurichten, das Verachtete und Verfolgte, so viel an uns ist, zu schirmen.

Die höchste Aufgabe setzen wir in die Heilung der eigenen inneren Schäden. — Unser evangelisches Volk in seinem ganzen Umfange der Segnungen der Reformation wieder eingedenk zu machen, des reinen Evangeliums von Gottes Gnade in Christo, des allgemeinen Priesterthums, der Befreiung aus den Banden des Aberglaubens, der Glaubens- und Gewissensfreiheit, und in die weitesten Kreise hinein die Ueberzeugung zu tragen, daß, wie auf der Reformation Deutschlands gegenwärtige Kraft und Größe beruht, so auch seine Zukunft an der Bewahrung jener Güter und dem schließlichen vollen Siege des Evangeliums hängt: in solchem Sinne das protestantische Selbstbewußtsein zu schärfen und gegenüber innerer wie äußerer Zertheiltheit das evangelische Gemeingefühl zu wecken, — darauf muß unsere beste Kraft und der ganze Eifer der Liebe sich richten, damit unser Volk gewaffnet und bereit sei, wenn Gottes Stunde schlägt.

erste Seite < vorherige Seite   |   nächste Seite > letzte Seite