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Antrag des Herzogtums Nassau auf völlige Emanzipation der Juden (1846)

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Herr Deputierter Zais: Der verehrliche Antragsteller geht von dem Grundsatz aus: „Gleiche Lasten, gleiche Rechte." Dieser Grundsatz ist in unserm Falle nicht ganz anwendbar. Die Juden sind ein Volk fremder Abstammung, mit eigenen Gesetzen, Sitten und eigner Religion. Ihre Stellung, die sie daher unter uns einnehmen, ist die des Schutzes, und dieses Verhältnis besteht geschichtlich seit fast 2000 Jahren. Wenn sie zu gleichen Lasten angezogen werden, so ist dies nicht mehr als recht, da sie an allen Rechtswohltaten teilnehmen, deren Bestreitung nur durch Hilfe von Abgaben erreicht werden kann. Die Vorteile, die wir ihnen gewähren, sind daher als eine Vergünstigung von unserer Seite zu betrachten, sie können jene aber nicht als ein Recht in Anspruch nehmen, und wir haben diese Gunst ihnen nur insoweit zu erteilen, als wir es mit den Staatsinteressen vereinbar halten. Ob völlige bürgerliche und nationale Gleichstellung der Juden zum Wohle des Landes diene, möchte so lange zu bezweifeln sein, als ihre eignen Gesetze und Institutionen sie als ein fremdes Volk von uns völlig scheiden, solange sie namentlich nicht den Sabbat auf den Sonntag verlegen, welcher Sabbat sie hindert, ein gleiches Geschäftsverhältnis zwischen Christen und Juden herzustellen.

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Herr Deputierter Cratz: Ich kann dem Herrn Antragsteller über das, was derselbe über die Stellung der Juden im allgemeinen sagt, nicht beistimmen, indem solche, besonders in unserm Lande, gewiß mit aller Rücksicht und Schonung behandelt werden, und stimme daher seinem Antrag nur insofern bei, als, wie das verehrliche Mitglied, welches über diesen Gegenstand zuerst gesprochen, sich äußerte, daß dieselben sich vorerst mit ihren Gebräuchen und religiösen Einrichtungen den Christen mehr nähern und mit deren Institutionen in Übereinstimmung zu bringen suchen, daher dieses vorher von ihnen ausgehen müßte, ehe eine vollständige Emanzipation stattfinden könnte.

Herr Deputierter Hergenhahn: Ich will nur bemerken, daß auch ich für die weitere Erörterung des Antrags stimmen werde. Es kann nicht bestritten werden, daß die christlichen Grundsätze der Humanität und der Nächstenliebe lange Zeit den Juden gegenüber nicht beobachtet worden sind. Es war dies jene finstere Zeit, wo die Juden von den Christen als ein für alle Ewigkeit verfluchtes Volk betrachtet wurden, wo sich die Christen berufen glaubten, die Schuld der Vorfahren der Juden an unserm Heiland in grellem Widerspruche mit seiner Lehre zu rächen und zu strafen. Es ist auch nicht zu bezweifeln, daß die lange Unterdrückung der Israeliten der geistigen und moralischen Entwicklung einer großen Zahl derselben vielfache Hindernisse in den Weg gelegt hat. Wir haben in dieser Beziehung manches Unrecht wiedergutzumachen. Aus den Mitteilungen des Herrn Regierungskommissärs haben wir ersehen, daß bereits vieles in dieser Beziehung geschehen ist. Es ist die Frage, was noch weiter zu tun sei, und diese Frage ist wichtig genug, um sie einer gewissenhaften, gründlichen Untersuchung zu würdigen.

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