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Antrag des Herzogtums Nassau auf völlige Emanzipation der Juden (1846)

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die von mir verteidigten Grundsätze faktisch anerkannt, indem sie den würdigen Doktor Herz in Weilburg zum Medizinalrate beförderte. Was hat denn der Staat und das Christentum an solchen Heuchlern, die um eines Amtes willen das äußere Gepräge wechseln, weil sie innerlich von unechtem Schrot und Korn sind? Schon im Jahre 1814 haben die hochseligen Fürsten, Herzog Friedrich August und Fürst Friedrich Wilhelm von Nassau, gleich im Eingange des Gesetzes zur Errichtung der Landstände die merkwürdigen, dem erlauchten Hause Nassau wohlziemenden Worte gesprochen, daß sie „bei fortdauernden Bedrückungen der Gewalt in auswärtigen Staatsverhältnissen die bürgerliche Freiheit ihrer Untertanen möglichst gesichert und die politische Gleichheit derselben vor dem Gesetze aufrecht gehalten. Von dieser Ansicht ausgehend und von solchen Beweggründen geleitet haben Wir, heißt es weiter, bis hierher die vollkommenste Duldung religiöser Meinungen und freie Übung jedes Gottesdienstes in unserm Lande gehandhabt." Wohlan, meine Herren, es ziemt dem Hause Nassau, an dessen Namen sich geschichtlich der Begriff der Glaubensfreiheit knüpft, es ziemt den Abgeordneten unseres schönen, gesegneten und intelligenten Landes, sich an die Spitze eines großen, gesetzlichen Fortschrittes in unserem Vaterlande zu stellen. Es ist unsere Pflicht, auf Abschaffung von Ausnahmsgesetzen, überhaupt hier aber insbesondere derjenigen anzutragen, welche die Juden bei uns noch unter mittelalterlichen Druck stellen, und bei diesem Antrage habe ich wohl keinen Widerspruch zu fürchten. Lassen Sie uns aber, meine Herren, dabei nicht stehen bleiben! Lassen Sie uns den Antrag dahin stellen, die schönen Worte unserer Fürsten im Jahre 1814 nach 32 Jahren zur vollen Wahrheit zu machen, die bürgerliche Freiheit und die politische Gleichheit aller Nassauer in ihrem ganzen Umfange unumwunden anzuerkennen und gesetzlich auszusprechen! Nach 32 Jahren, sage ich, und wie viel ist in diesen 32 Jahren geschehen, das einen ungeheuern Fortschritt von seiten der Juden beweist! Erlauben Sie mir eine Tatsache anzuführen, die mir entscheidend scheint. Vor einigen Jahren machte die Königlich Preußische Regierung bekannt, daß sie mit dem Plane umginge, die Juden, unter Belassung, ja mit einiger Erweiterung des ihnen in diesem großen deutschen Lande eingeräumten Privatbürgerrechts, des Militärdienstes zu entheben. Was taten da die Juden unserer Zeit und wie benahmen sich bei einem ähnlichen Falle ihre Vorfahren nur 50 Jahre früher? Die Geschichte antwortet für uns. Der edle Kaiser Joseph II., der zuerst von allen deutschen Fürsten ihr Schicksal verbesserte und sie dafür zugleich, wie recht und billig, was früher nicht geschehen war, zum Kriegsdienste zog, hatte gegen ihren wie gegen des christlichen Volkes Widerstand zu kämpfen. Die Verknechteten wollten nach der Knechte Art lieber Sklaven bleiben, als mit den Waffen in der Hand ihre Freiheit verdienen. Die Juden unserer Zeit hingegen fühlten sich gekränkt und entehrt ob der Zumutung, sie von der Ehre auszuschließen, für das gemeinschaftliche Vaterland ferner die Waffen zu führen. Aus allen Teilen, aus allen Kreisen, fast aus allen Städten der Monarchie liefen Vorstellungen ein, worin die Juden auf ihrem Rechte beharren, für König und Vaterland in das Feld zu ziehen. Nicht ohne Rührung fand ich in der von dem jüdischen

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