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Ein Schneider in einer pommerschen Kleinstadt (1870er Jahre)

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Die Ackerbürger gebrauchen nämlich für ihr Land in der Regel mehr Dung, als sie bei ihrem beschränkten Viehbestand produzieren können. Deshalb nehmen sie ganz gerne den Dung, den die ärmeren Leute im Laufe des Jahres ansammeln. Im Frühjahr fahren nun die Ackerbürger diesen Dung gegen einen kleinen Fuhrlohn auf ihr Land, und soviel Land mit dem Dung bestreut werden kann, soviel Kartoffeln können dann die Leute bei dem Ackerbürger auspflanzen. Sind die Kartoffeln im Herbste abgeerntet, so wird dieses Land von dem Ackerbürger gewöhnlich mit Wintergetreide (Roggen) besäet, und der Dung kommt dann auch diesem Getreide zugute.

Unter diesen Umständen ist es begreiflich, daß jeder »Auspflanzer« möglichst viel Dung zusammenzuklauben sucht. Je mehr er davon hat, desto mehr Kartoffeln kann er bauen; ganz abgesehen davon, daß jemand, der etwa zwei bis drei Fuder Dung abfahren lassen kann, dem Ackerbürger auch entschieden lieber ist, als einer, der nur ein halbes Fuder hat.

Wer es irgend kann, hält sich deshalb eine Ziege, und wenn möglich auch ein Schwein. Wir brachten es nur zu einer Ziege, deren Fürsorge hauptsächlich mir anvertraut war. Da galt es, im Sommer das nötige Futter heranzuholen, damit das Tierchen nicht »auftrocknete«. Nun, darauf war ich bald geeicht, ohne daß der Feldwächter mich beim Wickel kriegte. Aber auch die erforderliche Streu mußte herbeigeschafft werden, sonst gab’s ja nicht genügend Dung. Auch das wußte ich zur Zufriedenheit der – Ziege zu besorgen. Vor den Scheunen der Ackerbürger oder auf den Feldwegen zur Zeit der Heu- und Kornernte wurde eben soviel zusammen »geharkt«. Auch Moos und Fichtennadeln aus den umliegenden Holzungen schleppte ich zu diesem Zweck zusammen. Es blieb sogar noch ein kleiner Vorrat für den Winter. War im Spätherbst kein Gras und Kraut mehr zu pflücken, so wurde die Ziege mit Kartoffelschalen und Wrucken (Kohlrüben) gefüttert. Wohl oder übel mußten dann aber auch 1–1½ Zentner Heu gekauft werden. Um unseren Dunghaufen zu vergrößern, ging ich mit meiner Schwester im Sommer nach beendeter Schulzeit auch häufig, mit Sack und Karre ausgerüstet, auf den Chausseen und Feldwegen entlang und sammelten »Fallobst« ein. Als solches bezeichneten wir Roßäpfel und Kuhfladen, die je nachdem, bald in angetrocknetem Zustande, bald aber auch recht warm und frisch, sorgfältig aufgelesen und – je mehr, je besser – im Triumph nach Hause spediert wurden. Gar zu gern taten wir es allerdings nicht, denn das Geschäft war nicht nur ziemlich schmierig, sondern fiel zuweilen auch stark auf die Geruchsnerven. Doch was half’s, Mutterns Wunsch war in diesem Falle Befehl, und – hernach gab’s dafür ein Stück Brot extra.

Auch für Brennholz sorgten ich und meine Schwester nach Kräften. Mittwochs und Sonnabends nachmittags, wenn keine Schule war, wanderten wir beide mit unserer Karre nach dem reichlich eine halbe Meile entfernten Walde und sammelten uns eine Ladung sogenanntes Raff- oder Leseholz, was von der Försterei gestattet wurde. Besonders wurden zum Holzholen die großen Schulferien ausgenutzt; fast täglich waren wir dann im Busch. Galt es doch, möglichst viel Vorrat für den Winter zu sammeln. Häufig brachten wir hierbei auch eine Mahlzeit Pilze mit nach Hause. Das Schönste war bei diesen Buschgängen für uns aber die Zeit der Beerenreife, wenn sie uns auch mitunter arge Bauchgrimmen verursachte.

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