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Metzger, Viehhändler und Juden in Mainz

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Als in neuerer Zeit die Spar- und Darlehnskassen aufkamen, überboten sich in manchen Gemeinden die Bauern mit Einlagen bei denselben, während die Viehändler und Handwerker oft jahrelang warten mußten, um dann nur unter Spektakel ihr rechtmäßiges Geld ohne Zinsen zu erhalten. Wie oft mußte der Geldleiher damals hören: „Wenn du nicht borgen kannst, dann gib dein Geschäft auf.“ Ein einzelner Fall sei erwähnt: Ein Bauer schuldete einem Händler mehrere hundert Mark für geliefertes Vieh. Eines Tages ließ derselbe Bauer bei demselben Händler außerhalb seiner Wohnung ein Zwanzigmarkstück wechseln. Der Händler konnte nur 18 Mark zusammenbekommen und sagte, er solle sich die restlichen 2 Mark bei ihm zu Hause geben lassen. Dies tat aber der Bauer nicht, sondern einige Tage darauf forderte er auf offener Straße im vollen Verkehr sein Guthaben mit der Bekräftigung: „Von euch schlechten Juden kann man nie sein Geld bekommen.“

Im geschäftlichen Verkehr mit Vieh- und Fleischhandel habe ich wohl am stärksten von meinen Kollegen besonders mit den Pfälzer Juden verkehrt. Ich wurde meist vorgezogen, weil ich ihr Kaufgut am besten beurteilen konnte. Auf Pfälzer Ware war ich immer erpicht. Wohl 25 Jahre lang bis zum Schluß meines Geschäftes habe ich z. B. mit den Gebr. Hayum in Erbach und Hayum in Ockelheim fast wöchentlich gehandelt, ohne daß auch nur ein falsches Wort von einer Seite gefallen wäre, trotzdem der Handel bei umschlagender Konjunktur mitunter sehr hart war. Wir haben uns gegenseitig geachtet und beiderseits unsere Rechnung gefunden.



Quelle: Bernhard Gottron, Erlebtes und Erlauschtes aus dem Mainzer Metzgergewerbe im 19. Jahrhundert. Mainz, 1926, S. 32ff.

Abgedruckt in Werner Pöls, Hg, Deutsche Sozialgeschichte 1815-1870. Ein historisches Lesebuch, 4. Ausg. München: Beck, 1988, S. 70-73.

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