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Bericht der Auschwitzflüchtlinge Alfred Wetzler und Rudolf Vrba (Ende April 1944)

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Am 27. Juni 1942 führte ich die Sträflingskleider ab, erhielt Zivilkleider und fuhr mit einem Transport nach Auschwitz. Nach einer Fahrt von 48 Stunden, welche wir im Waggon eingeschlossen, ohne Essen und Trinken verbracht haben, kamen wir halbtot in Auschwitz an. Am Eingangstor begrüßte uns die große Aufschrift: „Arbeit macht frei.“ Der Hof war rein, geordnet, die Ziegelbauten machten auf uns nach den schmutzigen und primitiven Baracken in Lublin einen sehr guten Eindruck. Wir dachten, einen guten Tausch gemacht zu haben. Wir wurden sofort in einen Keller geführt, bekamen Tee und Brot. Am nächsten Tag wurden uns die Zivilkleider abgenommen, wir wurden rasiert, unsere Häftlingsnummern wurden uns am linken Unterarm eintätowiert, schließlich erhielten wir ähnliche Häftlingskleider, wie wir sie in Lublin hatten und nachdem sie unsere Personaldaten aufgenommen hatten, waren wir regelmäßige sogenannte "politische" Häftlinge im Konzentrationslager Auschwitz.

Wir wurden im Block 17 untergebracht, wo wir auf dem Fußboden zu liegen hatten. In einer Häuserreihe, welche von uns durch eine Mauer getrennt war, waren die jüdischen Mädchen aus der Slowakei, die im März und April 1942 nach Auschwitz gebracht wurden, untergebracht. Als Arbeitsplatz wurde uns die Baustelle des enorm großen Fabrikobjektes "Buna" zugewiesen. Um 3 Uhr früh wurden wir zur Arbeit getrieben. Zu essen bekamen wir mittags eine Kartoffel- oder Steckrübensuppe, am Abend Brot. Während der Arbeit wurden wir fürchterlich misshandelt. Da die Arbeitsstelle außerhalb der großen Postenkette lag, wurde der Arbeitsplatz auf Quadrate von 10 mal 10 m geteilt. Jedes Quadrat wurde durch einen SS-Mann bewacht. Wer während der Arbeit die Grenzlinie seines Quadrates überschritt, wurde ohne Warnung "auf der Flucht erschossen". Es kam oft vor, dass der SS-Mann einem Häftling die "Weisung gab, ein Werkzeug oder einen Gegenstand, welches jenseits der Quadratlinie war, zu holen. Wenn dann der Häftling den Befehl befolgte, wurde er wegen Übertretung der Grenzlinie erschossen. Die Arbeit war sehr schwer, man gewährte uns keine Ruhepause. Der Weg von der Arbeit musste in strammer, militärischer Ordnung zurückgelegt werden. Wer aus der Reihe trat, wurde erschossen. Zur Zeit, als ich auf diese Arbeitsstelle kam, arbeiteten dort etwa 3000 Personen, darunter ca. 2.000 slowakische Juden. Die harte Arbeit, ohne Nahrung und Rast haben aber sehr wenige von uns ausgehalten. Fluchtversuche, obwohl diese gar keine Aussicht auf Erfolg hatten, waren an der Tagesordnung. Wöchentlich wurden einige gehängt.

Nach einigen Wochen qualvoller Arbeit auf der Baustelle "Buna" brach im Lager plötzlich eine fürchterliche Flecktyphus-Epidemie aus. Die geschwächten Häftlinge starben zu Hunderten. Lagersperre wurde angeordnet und die Arbeiten am "Buna" wurden eingestellt. Die noch am Leben Gebliebenen von dieser Arbeitsstelle wurden Ende Juli 1942 in die Kiesgrube geschickt. Die Arbeit war hier womöglich noch schwerer, als die am "Buna". Mit unseren geschwächten Kräften konnten wir beim besten Willen keine Leistung vollbringen, die unsere Aufseher zufriedengestellt hätte. Die Meisten von uns bekamen geschwollene Füße. Unser Kommando wurde daher angezeigt, dass wir faul sind und unordentlich arbeiten. Es kam eine Kommission. Ein Jeder von uns wurde eingehend untersucht. Alle jene, die geschwollene Füße hatten oder nicht ganz sicher auftreten konnten, wurden separiert. Obwohl ich in den Füßen furchtbare Schmerzen verspürte, habe ich mich beherrscht und trat stramm vor die Kommission. Ich wurde für gesund befunden. Von 300 Personen wurden ca. 200 für krank befunden. Sie wurden sofort nach Birkenau geschickt und im Birkenwald vergast.

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