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Raymond Geists Bericht an George Messersmith über die interministerielle Konferenz im Reichsluftfahrtministerium und die Zukunftspläne des NS-Regimes für die Juden (4. April 1939)

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Ich bin mit Ihnen einverstanden, dass jede Feststellung einer Person mit langjähriger Erfahrung in Deutschland, die Nazis würden sich an irgendwelche ihrer Versprechungen halten, als äußerst verwegen und gewagt angesehen werden muss. Was jegliche Art von Transaktion mit den Nazis anbelangt, hege ich keine Illusionen über deren Verlässlichkeit.

Das Bulletin beunruhigt mich nicht, weil ich nicht glaube, dass Bernstein irgendeine Absicht hatte, mich falsch zu zitieren, insbesondere auch nicht deshalb, weil ich das Gespräch mit oben erläuterter Zielsetzung arrangiert hatte. In diesem Zusammenhang möchte ich erwähnen, dass jüdische Führungspersonen hier der Meinung sind, das allgemeine Klima habe sich seit Mr. Rublees Besuch merklich entspannt, und ich hoffe sehr, dass dies nicht aufhört.

Die Gestapo hat in Verbindung mit der Jüdischen Gemeinde eine Reihe von Auswanderungsbüros eingerichtet, die in Berlin täglich zwischen 180 und 200 Personen auf die Auswanderung vorbereiten. Der wichtigste Teil in diesem Verfahren ist die Ausstellung eines Passes für diese Leute. Die Aushändigung eines Passes ist gleichbedeutend mit einer strengen Warnung, das Land zu verlassen. Seit Einrichtung dieser Büros sind schätzungsweise 10-15.000 Menschen in Berlin auf diese Weise vorbereitet worden, und das wird nach den sehr akkuraten Informationen von Würdenträgern der Jüdischen Gemeinde mit einer Rate von etwa 200 Personen täglich fortgesetzt. Ich mache mir große Sorgen darüber, wie der Druck ausfallen wird. Ich wäre überhaupt nicht überrascht, wenn er eine Form annehmen könnte, die eine geordnete Auswanderung unmöglich machen würde. Die Deutschen fühlen sich gewiss keineswegs verpflichtet, irgendeine ihrer im Rahmen der Vereinbarung mit dem Zwischenstaatlichen Komitee eingegangenen Verpflichtungen einzuhalten, solange es keinen bindenden Nachweis für die Anzahl der Auswanderer gibt, die das Ausland aufzunehmen bereit ist. Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist der diesbezügliche Bericht, den Mr. Pell den Deutschen versprochen hat, noch nicht eingetroffen. Dr. Wohlthat möchte Mr. Pell nochmals sprechen und hat ihn für Donnerstag dieser Woche eingeladen. Von Pell habe ich allerdings keine neue Nachricht, ob er zu kommen beabsichtigt. Ich fürchte, die Deutschen könnten schließlich die Ergebnisse der Bemühungen des Zwischenstaatlichen Komitees als so gering einschätzen, dass sie die ganze Vereinbarung platzen lassen und daran gehen, die Judenfrage auf ihre eigene Weise zu handhaben. Es kann natürlich nur eine interne Lösung der Judenfrage in Deutschland geben, und ich glaube, sie sind dabei, das Problem auf diese Weise anzugehen. Die Lösung wird natürlich so aussehen, dass sie alle leistungsfähigen Juden in Arbeitslager stecken, das Vermögen der gesamten jüdischen Bevölkerung konfiszieren, die Juden isolieren, den Druck auf die gesamte Gemeinschaft erhöhen und sich von so vielen wie möglich durch Gewalt entledigen werden.

Hinsichtlich der Einwanderungsarbeit sehe ich mit Erleichterung, dass alles glatt vonstatten geht und die Registrierungen sich allmählich ihrem Ende zuneigen, weshalb ich hoffe, dass im Laufe der Zeit eine Reduzierung des Personals möglich sein wird. Ich werde Ihnen bei anderer Gelegenheit mehr über die Probleme im Zusammenhang mit den Visa-Abteilungen berichten.

Mit sehr freundlichen Grüßen,
Ihr
[gezeichnet] Raymond [Geist]



Quelle: Raymond Geists Bericht an George Messersmith über die interministerielle Konferenz im Reichsluftfahrtministerium und die Zukunftspläne des NS-Regimes für die Juden (4. April 1939). George S. Messersmith Papers, Item 1187, University of Delaware Library, Newark, Delaware. Raymond H. Geist, Berlin, to G.S. Messersmith, Washington, DC, April 4, 1939.

Übersetzung aus dem Englischen ins Deutsche von Erica Fischer.

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