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Ein ausgebürgerter ostdeutscher Dissident erläutert die Friedensbewegung (21. Juli 1983)

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Welche Rolle spielt die Forderung nach einseitiger Abrüstung für euch in der DDR?

Es gibt unterschiedliche Auffassungen. Ich persönlich sehe es so, daß Abrüstung beidseitig sein muß, daß man aber in den einzelnen Schritten beispielgebend sein muß, daß man Schritte machen muß, die dazu dienen, daß der andere nachzieht.


Würdest du das, was du jetzt sagst, in der DDR fordern? Obwohl du eine ganz bestimmte Position zur NATO-Nachrüstung hast?

Ja, man muß Schritte machen, die beispielgebend sind. Die ganze Rechnerei um die Waffenpotentiale ist sinnlos, deshalb mache ich mir um die Aufrechnungen nicht so viele Gedanken. Die Verhandlungen in Genf halte ich zwar nicht für sinnlos, aber für ergebnislos. Deshalb ist die blockübergreifende Abrüstung von unten her immer wichtiger, und da müssen Wege gesucht werden. Da ist der Austausch wichtig und da ist die Verweigerungshaltung der einzelnen Menschen wichtig. Die Machthaber in Ost und West haben kein Interesse an Abrüstung. Die einen machen ihre Profite in der Rüstungsindustrie, die anderen brauchen den Militarismus und die Rüstung dazu, die Machtstrukturen zu erhalten. Nicht nur die Macht um der Macht willen im psychologischen Sinne, sondern ganz materiell, weil alle verankert sind in diesem militärischen System bei uns. Die Offiziere oder diejenigen, die in der Rüstungsindustrie einen guten Posten haben, verdienen gut. Sie ziehen Profite heraus, zwar in einer anderen Form als der Kapitalist, nämlich durch ihre Stellung in der Hierarchie des Systems. Der Offizier, der General, der das Schwert trägt, golden blitzend, und der dabei ein gutes Leben hat, der drängt nicht danach, den Pflug zu ziehen und zu schwitzen. Deswegen wendet er sich gegen die Losung Schwerter zu Pflugscharen.

Aus diesen Gründen muß die Friedensbewegung von unten her immer weiter vorangetrieben werden. Die Leute müssen sich weigern, mitzuspielen. Ganz naiv gesagt: Wenn keine Raketen produziert werden, dann sind keine da. Und wer machts? Arbeiter. Da muß man ansetzen und da finde ich die Frage nach der einseitigen Abrüstung gut. Einseitig bei sich selbst anfangen, nicht zur Armee gehen, keine Rüstungsgüter produzieren, kein Kinderspielzeug usw., beitragen zu einer Erziehung zum Frieden, angefangen bei ganz primitiven Dingen. Kriege kann man nicht verhindern, indem man sich darauf vorbereitet, sondern indem man zum Frieden erzieht.

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