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Bundeskanzler Kohl rechtfertigt die Einrichtung eines Deutschen Historischen Museums als Beitrag zur nationalen Einheit (28. Oktober 1987)

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Ein verantwortlicher, nachdenklicher und belehrende Einseitigkeit vermeidender Umgang mit unserer Vergangenheit ist nur möglich, wenn Geschichte nach den bewährten Maßstäben wissenschaftlicher Seriosität so objektiv wie möglich dargestellt wird. Bei den Plänen zur Errichtung des Deutschen Historischen Museums hat sich die Bundesregierung von dieser Überzeugung leiten lassen. Sie hat deshalb eine Sachverständigenkommission aus hochqualifizierten, unabhängigen Wissenschaftlern und Museumsfachleuten beauftragt, die Konzeption für das Museum zu erarbeiten. [ . . . ]

Gewiß, ein Museum kann die unmittelbare Anschauung von historisch gewachsenen Kulturlandschaften und von historisch bedeutsamen Orten nicht ersetzen. Aber es kann Anregungen geben, Neugier und Entdeckerfreude wecken. Ich möchte daher vor allem unsere jungen Mitbürgerinnen und Mitbürger ermutigen: Nutzen Sie die Chancen Ihrer Generation, unserer Geschichte dort zu begegnen, wo sie sich in den Zeugnissen der Landschaftsgestaltung, der Architektur und der bildenden Kunst manifestiert.

Nutzen Sie insbesondere auch die Chancen zu Reisen in die DDR; Sie erweitern damit nicht nur Ihren Horizont, sondern tragen auch zu mehr menschlichem Miteinander in unserem Vaterland bei. Sie werden ganz konkret erfahren, wie sehr sich die Zusammengehörigkeit aller Deutschen aus den nie versiegenden Quellen von Sprache, Kultur und eben auch Geschichte speist.

Das Deutsche Historische Museum gewinnt seine politische Bedeutung als nationale Aufgabe von europäischem Rang besonders vor dem Hintergrund der Teilung unseres Vaterlandes. Es gibt nur eine gemeinsame Geschichte der Deutschen – eine lange, wechselvolle und, vor allem, fortdauernde Geschichte. Indem wir uns mit ihr beschäftigen, halten wir das Bewußtsein wach für das, was alle Deutschen miteinander verbindet. Das Deutsche Historische Museum wird uns zugleich vergegenwärtigen, wie vielfältig unser gemeinsames kulturelles und historisches Erbe ist.

Ich möchte diese Bedeutung des Museums auch mit dem Geschenk hervorheben, das ich Ihnen, Herr Dr. Stölzl, als dem Direktor des Deutschen Historischen Museums nachher überreichen werde. Es handelt sich um die erste gedruckte Ausgabe des Deutschlandliedes von Hofmann von Fallersleben. Sein leidenschaftliches Plädoyer für „Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Vaterland", hat sich seither als das entscheidende Leitmotiv der deutschen Geschichte bis auf den heutigen Tag erwiesen. Der Wunsch der Menschen nach Freiheit, nach Selbstbestimmung und nach Einheit ist ungebrochen. Er läßt sich nicht unterdrücken – und sei es in einer noch so langen Periode der Unfreiheit und der Fremdbestimmung. Allein dies berechtigt uns zu der Zuversicht, daß die gegenwärtige Teilung der Nation auf Dauer keinen Bestand haben wird.

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