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FDP als Zünglein an der Waage (2./3. Oktober 1982)

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Ich stehe auch in dieser Stunde nicht an, die 13jährige Regierungsverantwortung, die ja sehr viel Kritik erfahren hat, so zu beurteilen, wie ich es immer getan habe. Es waren entscheidende Schritte, neue Schritte in der Außen- und Ostpolitik, es waren entscheidende Schritte in der Innenpolitik, in der Gesellschaftspolitik, deren Grundlagen ich heute genauso positiv beurteile wie gestern. Ich bestreite nicht, daß dabei Fehler gemacht worden sind. Wo Menschen tätig sind, werden Fehler gemacht. Das war in der Regierungskoalition CDU/FDP so, das war in der Großen Koalition so, das war in der jetzigen Koalition so. Und das wird bei einer künftigen Koalition genauso sein. Worauf es hier ankommt, ab dann, wenn man erkannt hat, daß da oder dort ein Fehler gemacht worden ist, den Mut hat, aus diesen Fehlern zu lernen, und wenn man dann nicht mit Ideologie betrachtet, sondern aus der Vernunft heraus entscheidet, ist dies leichter. Wir bemühen uns, aus der Vernunft heraus zu entscheiden.

Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir zum Abschluß noch zwei persönliche Worte: Herr Bundeskanzler, wir haben über lange Jahre sehr eng zusammengearbeitet. Ich schätze diese Arbeit. Ich respektiere Ihre Leistung, ich stehe zu dieser Zusammenarbeit, ich bin Ihnen dankbar dafür. Daß wir jetzt getrennte Wege gehen müssen, das gehört zur Demokratie. Eins möchte ich Sie bitten, nicht zu vergessen, daß Sie und ich und alle in diesem Haus, diesem Staat, diesem Volk dienen wollen – und deshalb Handlungen, die so oder so gefällt werden, unter diesem Gesichtspunkt zu sehen sind. Und nicht unter anderen. Herzlichen Dank für die Zusammenarbeit!

Herr Kollege Wehner! Wir haben über 13 Jahre sehr schwere Entscheidungen treffen müssen. Wir haben manchmal allein vor Entscheidungen gestanden, von völlig divergierenden Standpunkten aus. Wenn ich an die Mitbestimmung denke, an die Verträge, wo wir die gemeinsame Grundlage hatten. Es war immer ein persönlich faires Verhalten. Ich danke Ihnen dafür. Wir haben in den schwersten Interessengegensätzen Lösungen gefunden und sie gemeinsam durchgesetzt, in Kompromissen, die ihre Tragfähigkeit auch später bewiesen haben. Ich habe Sie kennengelernt als einen fairen Partner, als einen Menschen, der in der Öffentlichkeit oft falsch dargestellt ist. Es tut mir weh, daß wir so auseinandergehen müssen. Herr Kollege Wehner, meine Hochachtung bleibt! Herr Kollege Kohl! Wenn die Wahl so ausgeht, wie wir es wollen – und ich bin überzeugt, sie geht so aus –, Sie werden einen fairen Partner haben, weil ich faire Partnerschaft als einen entscheidenden Teil der Glaubwürdigkeit dieser Demokratie ansehe.



Quelle: Erklärung von Wolfgang Mischnick, FDP, zum Bruch der sozialliberalen Koalition, 1. Oktober 1982, Süddeutsche Zeitung, 2./3. Oktober 1982; abgedruckt in Irmgard Wilharm, Hg., Deutsche Geschichte 1962-1983. Dokumente in zwei Bänden, Bd. 2, Frankfurt am Main, 1989, S. 268-71.

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