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Joschka Fischer wird erster grüner Umweltminister (4. November 1985)

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Glanzlichter setzte Fischer im Bundestag auch als Redner. Seinen Debattenbeitrag zu Wörners Kießling-Affäre, in der er Kohls geistig-moralische Erneuerung als „pfälzisches Gesamtkunstwerk“ verspottete, „welches in barocker Opulenz so langsam versumpft“, zählt Fischer noch heute zu seinen Sternstunden im Parlament – „Politik als real existierende Satire“.

Als Heiner Geißler den Pazifismus der 30er Jahre als Ursache der Nazi-Greuel von Auschwitz denunzierte, schlug Fischer mit geschliffener Rhetorik zurück. Nach dem Tod des Türken Altun, der, um der Abschiebehaft zu entgehen, in den Tod gesprungen war, machte Fischer sich zum Anwalt des Asylrechts. Heinrich Böll nannte die beiden Debattenbeiträge „die besten Reden, die seit Jahren im Bundestag gehalten wurden“.

„Als Symbol“, so Fischers Marburger Realo-Gefährte Hubert Kleinert, „war er für uns in Bonn ungeheuer wichtig: Einerseits vertrat er, unrasiert und in Jeans, die Lebenshaltung einer großen Gruppe, die bislang in Bonn politisch nicht vertreten war. Andererseits hat er mit seinen Reden das Parlament wiederbelebt, wurde er zur Symbolfigur für linksliberale Intellektuelle.“

Schneller als andere Grüne hat sich Fischer in Bonn den Gepflogenheiten der Politiker angepaßt, entwickelte er sich zum Lieblingskind der Medien. Aber er hat ebenso hartnäckig an dem Image gearbeitet, kein Angepaßter zu sein. Die Unions-Abgeordneten bestätigten es ihm mit Zwischenrufen wie „Nadelstreifenrocker“, „Lümmel“ und „widerlicher Schreihals“.

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Als „Anwalt der Umwelt“, so Fischer staatsmännisch, werde er sich „nicht mit Anordnungen oder Weisungen durchsetzen, sondern überzeugen“ und dabei „auch mit der Wirtschaft so viel wie möglich im Konsens erreichen".

Längst haben sich Fischer und seine Mitstreiter auf eine moderate Gangart im neuen Amt verständigt. „Wir werden nicht auf den Putz hauen", beschwichtigt Grünen-Sprecher Georg Dick. „Alles“, sagt Fischer, „geht nach Recht und Gesetz“ – was SPD-Wirtschaftsminister Ulrich Steger zu dem Vergleich veranlaßte, gegen Fischer erschienen „selbst Jusos revolutionär“.

Doch ein Minister, der sich streng an die Umweltgesetze hält – genau das scheinen die hessischen Industriemanager zu fürchten.

Friedrich Karl Janert, Geschäftsführer des hessischen Chemie-Arbeitgeberverbandes: „Wenn Fischer das Umweltschutzrecht auf Punkt und Komma ausschlachtet, wird es eine Qual.“



Quelle: „Hessen-Koalition: ‚Wie Willy wollte’“, Der Spiegel, 4. November 1985, S. 24-31.

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