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Warnungen in den Medien vor „Waldsterben und saurem Regen” (1983)

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Wenn die Entwicklung nicht gestoppt werde, warnt auch der BUND, stehe ganz Deutschland „Entwaldung und damit Versteppung und Verkarstung“ bevor – eine Möglichkeit, die sich freilich dem Vorstellungsvermögen von Bundesbürgern entzieht, die im letzten Sommer noch in vermeintlich heilen Wäldern spazierengegangen sind.

In der Provinz argwöhnen Journalisten denn auch bisweilen noch, „die Horrorvision von der schrecklichen Säuresteppe“ sei „schiere Spinnerei“ (so die im Niedersächsischen erscheinende „Jesteburg-Hanstedter Zeitung“). Daß die Anfangsstadien des Waldsterbens mit Laienaugen nicht wahrnehmbar sind, daß die Katastrophe erst zum Politikum wird, wenn, nach jahrelanger Inkubationszeit, die Schäden irreparabel sind – dies macht die Tücke und die Tragik eines neuen Typs von Umweltgefahren aus.

„In den sechziger Jahren“, sagt der Sozialdemokrat Duve, „hatten wir es mit der Umweltverschmutzung zu tun, beispielsweise mit dem Müll im Wald, den man sehen und anpacken konnte.“ Nun aber seien Politiker mehr und mehr Fällen von heimlicher Umweltvergiftung konfrontiert – und damit überfordert.

Unsichtbar sind die Gifte, die dem Wald in ganz Mitteleuropa zusetzen und die dazu geführt haben, daß sich der Säuregrad des Regens binnen zwanzig Jahren vielerorts verhundertfacht hat: bei der Verbrennung fossiler Energien in Kraftwerken und Kraftfahrzeugen entweichende Schadstoffe, die, zumal wenn sie durch superhohe Schornsteine in die Zonen ewigen Windes befördert werden, sich selbst in industriefernen Regionen niederschlagen.

Als Verursacher des Waldsterbens verdächtig sind derzeit 186 Stoffe, darunter Fluor, Stickoxide, Schwermetalle, Chlorwasserstoff, vor allem aber Schwefeldioxid (SO2). Von dem mengenmäßig gewichtigsten Schadstoff steigen alljährlich 3,5 Millionen Tonnen aus westdeutschen Schloten empor, genug, um 130 000 Güterwagen zu füllen, pro Einwohner fast ein Zentner. Die höchsten SO2-Konzentrationen finden sich, entsprechend der Hauptwindrichtung, nordöstlich von Industriezentren.

Nur unter dem Mikroskop ist wahrnehmbar, was der Giftregen, bisweilen sauer wie Essig, in der ersten Phase des Waldsterbens an Wurzeln und Blattwerk anrichtet. Im versauerten Waldboden gelöste Metalle wie Aluminium vertreiben nützliche Bakterien und schädigen das Feinwurzelwerk, das die Bäume stützt und nährt. Zugleich greift (trockener oder nasser) Säureniederschlag die Blätter oder Nadeln an und stört die Photosynthese, mit der Pflanzen Licht, Wasser und Kohlendioxid in Zucker und Sauerstoff umwandeln.

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