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Reform des Ehe- und Familienrechts (9. Juli 1971)

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Versorgungsausgleich

Der neuartige Versorgungsausgleich soll eine gleichmäßige Beteiligung geschiedener Ehegatten an den während der Ehe von ihnen erworbenen Anrechten auf eine Alters- und Invaliditätsversorgung gewährleisten. Die Regierungsvorlage dehnt die Grundsätze des Zugewinnausgleichs, die sich seit 1958 bewährt haben und die einer partnerschaftlichen Ehe entsprechen, auf die Versorgungsanwartschaften der Ehegatten aus. Damit soll die soziale Sicherung des Ehegatten erhöht werden, der eine eigene berufliche Entwicklung und die damit verbundene eigene Alters- und Invaliditätsvorsorge aufgibt, um sich der Familie zu widmen.

Der vorliegende Gesetzentwurf bildet den ersten Teil eines in sich zusammenhängenden Reformwerkes, das außer dem materiellen Ehe- und Familienrecht das Verfahren in Ehesachen und Änderungen des Sozialversicherungsrechts umfaßt. Alle Teile sollen gleichzeitig in Kraft treten. Die noch ausstehenden Änderungen des Verfahrensrechts und des Sozialversicherungsrechts werden in getrennten Vorlagen alsbald eingebracht werden. Sie den gesetzgebenden Körperschaften zusammen mit dem heute zu beratenden Entwurf vorzulegen, war, ich bedauere das selbst, leider nicht möglich; andernfalls wäre das Vorhaben der Bundesregierung, die Reform noch in dieser Legislaturperiode zu verwirklichen, gefährdet worden.

Zum Verfahrensrecht steht im Bundesministerium der Justiz ein Gesetzentwurf unmittelbar vor seiner Fertigstellung. Er soll den Landesjustizverwaltungen demnächst übersandt und mit ihnen erörtert werden. Der Entwurf baut auf folgenden Grundzügen auf:

1. Für den Scheidungsausspruch und die Regelung der Scheidungsfolgen ist ein und dasselbe Gericht – Familiengericht – zuständig. Das Familiengericht wird als eine besondere Abteilung beim Amtsgericht gebildet.

2. Über das Scheidungsbegehren und die Folgenregelungen soll gemeinsam verhandelt und zur gleichen Zeit entschieden werden. Die Abtrennung von Folgesachen zur gesonderten Erledigung soll nur unter engen Voraussetzungen möglich sein.

An Folgeregelungen, über die das Familiengericht mitzubefinden hat, werden insbesondere erfaßt:

die Zuteilung der elterlichen Gewalt über gemeinsame Kinder,
die Entscheidung über das Besuchsrecht,
der Kindesunterhalt,
der Unterhalt des geschiedenen Ehegatten,
der Zuspruch eines Versorgungsausgleichs,
die Teilung des Haushalts.

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Quelle: „Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechts vor dem Bundesrat“, 9. Juli 1971; abgedruckt in Arnold Harttung et al., Hg., Willy Brandt, Zum sozialen Rechtsstaat. Reden und Dokumente. Berlin, 1983, S. 176-78.

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