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Der Fernsehfilm „Heimat”: Deutsche Sehnsucht und deutscher Hass auf einen Mythos (1984)

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105 - Hofeinfahrt Schmiede / Pauls Elternhaus



Pauls Gang wird immer schneller, als er um das Hauseck herum eilt. Aus der Schmiede hört man lautes Hämmern, das in Pauls Ohren wie Musik klingt. Als er durch die kleinen Scheiben ins Innere der Schmiede blickt, springen ihm tanzende Eisenspäne entgegen. Sein Vater formt gerade ganz in seine Arbeit vertieft einen Radbeschlag, indem er mit einem Hammer auf das rot und gelb glühende Metall klopft. Paul eilt zum Vorschlag der Schmiede und greift sich einen Vorschlaghammer, um seinem Vater, der ins Freie tritt, zur Hand zu gehen. Dieser nimmt mit einem kurzen Blick Notiz von seinem heimgekehrten Sohn, bestrebt davon, zuerst die Arbeit zu beenden. Zusammen beschlagen die beiden das Rad, das sie eingespielt sogleich an die Wagendeichsel montieren. Jetzt erst wendet sich Mathias an Paul.

MATHIAS Der Wagen gehört dem Legrands Kath. Und dem sei Helmut ist am Weichselbogen gefallen.

Mathias geht daraufhin wieder in die Schmiede, während Paul die Radmontage beendet. Er befreit sich von seinem Rucksack und folgt Mathias in die Werkstatt nach, wo sie zusammen ein weiteres Eisenstück mit abwechselnden Hammer-schlägen formen. Währendessen tritt Katharina Simon, Pauls Mutter aus dem Wohnhaus und erkennt ihren verlorengeglaubten Sohn.

MATTHIAS Gott sei Dank!

Auch Paul bemerkt jetzt seine Mutter.

KATHARINA (zu sich) Der Paul ist wieder da!

Paul eilt zu Katharina, die ihn unbeholfen vor Freude an den Schultern nimmt, und ihn sogleich ins Innere des Hauses, in die Mitte der Familie schieben will. Paul aber dreht sich aus ihren einverleibenden Händen und wendet sich liebevoll an sie.

PAUL Mutter, wart mal n'Moment!

Paul geht in Richtung des Misthaufens, der zwischen der Schmiede und dem Wohnhaus liegt und öffnet sich im Gehen seinen Hose, um auf den Misthaufen zu pinkeln. Katharina kommentiert Pauls Ritual mit einem erllösten [sic!] Lachen zu ihrem Mann Matthias hinüber, der das Schauspiel ebenfalls aus der Schmiede heraus verfolgt. Als Paul so am Misthaufen steht und seiner Blase Erleichterung verschafft, ist es so, als würde der ganze Druck, seine ganze Angst und Verzweiflung der letzten Jahre von ihm rinnen.



Quelle: Edgar Reitz, Skript für „Heimat“, Buch 1: „Fernweh“. München, 1984, S. 1-4; veröffentlicht auf der folgenden Website: www.erfilm.de/h1/01/02.html.

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