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Ludwig Quidde: Die Zentralstelle Völkerrecht (1916)

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Die neu gegründete Organisation wandte sich sogleich mit einer Eingabe an den zum 28. September einberufenen Reichstag. In dieser Eingabe richtete die Zentralstelle Völkerrecht die Bitte an den Reichstag, „er möge als seinen und des deutschen Volkes Willen bekunden, daß der Friede, der diesen Krieg beendet, nicht nur selbstverständlich die Lebensinteressen des deutschen Volkes, die Unabhängigkeit seines politischen Daseins, die Unversehrtheit seines vaterländischen Bodens, die Freiheit seiner wirtschaftlichen Entwicklung sicherstellen, sondern auch jede erreichbare Gewähr der Dauer in sich tragen soll. Deshalb möge der Reichstag insbesondere erklären: 1. Der kommende Frieden soll, um nicht den Keim künftiger Kriege in sich zu tragen, keinem Volke unerträgliche Bedingungen aufzwingen, insbesondere nicht Annexionen enthalten, die den freien Willen einer Bevölkerung vergewaltigen, oder Eingriffe in die Selbständigkeit bisher unabhängiger Staaten vornehmen. 2. Der kommende Friede soll aber auch, um ein dauernder Friede zu sein, die Grundlagen für ein neues Völkerrecht legen, durch Schaffung einer überstaatlichen Organisation, die Gewähr bietet für friedliche Erledigung künftiger internationaler Streitigkeiten auf dem Wege geordneter gütlicher Vermittlung oder rechtlicher Entscheidung.“ Diesen Forderungen war eine eingehende Begründung beigegeben, in der es von der neuen politischen Organisation der Kulturwelt u. a. heißt, „sie würde dem Treiben der geheimen Diplomatie ein Ende setzen und würde das gefährliche System geheimer Verträge und Bündnisse beseitigen“, auch die Vorbedingung sein für „eine vertragsmäßige Beschränkung der Rüstungen“; „sie würde auch die Erfüllung zweier auf dem Gebiete internationalen Rechtes liegender Forderungen sichern, die vielfach als deutsche Kriegsziele bezeichnet worden sind [. . .] Offene Tür in allen Kolonien und Schutzgebieten und dazu eine völkerrechtlich gesicherte Freiheit der Meere.“ Es heißt dann weiter, daß die Neuorganisation der Welt „von einer Erneuerung des ganzen öffentlichen Lebens begleitet“ sein müsse. Unverantwortlich unbescheidene Kundgebungen haben den Anschein erweckt, „als widerstrebe das deutsche Volk, allein unter allen Völkern, einer Sicherung des Friedens durch Herrschaft des Rechts und erstrebe vielmehr eine Friedenssicherung durch deutsche Gewaltherrschaft.“ Damit „wird die Notwendigkeit, den Krieg bis zur Niederringung Deutschlands fortzuführen, begründet [. . .].“ Deshalb (heißt es am Schluß) „ist es notwendig, Klarheit zu schaffen und vor aller Welt festzustellen, daß das deutsche Volk in seiner gewaltigen Mehrheit nichts Besseres will als einen seine Lebensinteressen sichernden, auf Recht und Billigkeit begründeten und durch Herrschaft des Rechtes gesicherten Frieden.“

Die Eingabe trug nicht weniger als 170 Unterschriften.



Quelle: Ludwig Quidde, Der deutsche Pazifismus während des Weltkrieges 1914-1918. Karl Holl, Hg., Boppard am Rhein, 1979, S. 114-15.

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