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Deutschlands führende Industrielle über die Kriegszielfrage (1915)

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Selbstverständlich seien die hier ausgesprochenen Forderungen abhängig von dem Stande der militärischen Lage. Seien sie militärisch nicht durchzusetzen, so müsse man auf sie verzichten. Wichtiger scheine es den vertretenen Verbänden aber vor allem, daß für den Fall des Sieges ein Siegesziel aufgestellt werde, das den Staatsmännern vorgezeichnet wird und das zeigt, was erreicht werden könne, wenn der Sieg unser sei. Das würde gewiß auch auf die Stimmung des Heeres einwirken.

Nachdem sich Herr Geheimrat Hugenberg in ähnlichem Sinne unter spezieller Betonung des industriellen Standpunktes ausgesprochen hatte, nahm der Reichskanzler Herr von Bethmann Hollweg das Wort zu längeren Ausführungen, in denen er u. a. folgendes äußerte: „Er würdige vollkommen die Bedeutung der Einigung der deutschen Erwerbsstände, die in den ihm übergebenen Kundgebungen zum Ausdrucke komme. Augenblicklich stände Deutschland vor einer schweren politischen Situation, wie sie in dieser Schwere vielleicht noch niemals seit Beginn dieses Weltkrieges dagewesen sei. Man müsse damit rechnen, daß Italien sich den Feinden Deutschlands anschließt, vielleicht würden auch noch die Balkanländer Rumänien, Bulgarien und Griechenland hinzutreten. Er habe wenig Hoffnung, daß namentlich Italien neutral bleibe. Italien stände unter der Herrschaft der Straße, obwohl 4/5 des Senates für Giolitti15 und den Frieden seien. Er habe diese Entwicklung kommen sehen und habe aus diesem Grunde die Erörterungen über die Kriegsziele nicht für opportun gehalten. Er zweifle nicht daran, daß das Deutsche Reich auch gegenüber diesem Gesamtansturm die Möglichkeit haben könne, seine Grenzen in Ost und West zu schützen, wie schwer selbst diese Defensive würde, hätten die Herren ja aus den Kämpfen bei Arras ersehen. Was aus Österreich-Ungarn bei diesem Ansturm würde, müsse dahin gestellt bleiben.

Was nun die Kriegsziele anbelange, so zeige der Krieg eine Entwicklung, die den Gedanken ausschließe, daß er mit einer Versöhnung der Völker schließen könne. Das gelte insbesondere für das Verhältnis Frankreichs zu Deutschland. Frankreich müsse die Großmannssucht ausgetrieben werden; selbstverständlich sei er für die restlose Ausnutzung eines deutschen Krieges. Es sei eine jämmerliche und kümmerliche Auffassung, den Gedanken auszusprechen, daß man nach einem etwaigen Siege diesen Sieg nicht ausnutzen wolle. Er sei schmerzlich und tief davon bewegt, daß man ihm solche Gesinnung unterlege, die er niemals ausgesprochen habe. Er sei auch der Meinung, daß eine Wiederherstellung Belgiens unmöglich sei, da Belgien nur französisch-englischer Vasallenstaat sein würde. Anders lägen die Verhältnisse im Osten. Ein Sonderfrieden mit dem Osten sei sicher, wenn Italien nicht eingreife. Aber auch wenn Italien eingreife, könne unter Umständen der Moment kommen, wo Rußland nicht mehr gewillt sei, den Krieg fortzusetzen und wir infolgedessen ein Sonderabkommen mit Rußland treffen können. Ob sich bei einem derartigen Sonderabkommen die ausgesprochenen Wünsche erfüllen lassen, sei allerdings zweifelhaft. Die ganze jetzige Situation erinnere an die Lage Preußens im 7jährigen Kriege. Der Krieg habe den Charakter eines Koalitionskrieges angenommen. Er sei nicht Pessimist inbezug auf den Ausgang des Krieges, er sei von einem ernsten Optimismus erfüllt, man könne aber auch nicht an der Tatsache vorbei, daß die Verhältnisse schwierig geworden seien. Daher wisse er nicht, ob die Wünsche alle durchführbar seien, die hier geäußert würden. Er bitte überzeugt zu sein, daß er, wenn die Zeit gekommen sei, auch die hier vertretenen Kreise auffordern würde, ihm zur Seite zu stehen, um mitberatend und mitfördernd die Frage der künftigen politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse Deutschlands zu lösen.

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