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DDR Wirtschaftsminister Günter Mittag erklärt das Scheitern der Planwirtschaft (1991)

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So kam es zu einem schematischen, um nicht zu sagen sturen Festhalten an der Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik in jedem ihrer Details. Es war nicht einmal möglich, die Preise für Blumen zu verändern, obwohl dadurch nachweislich die Versorgung verschlechtert wurde, weil es bei den Gärtnern und Händlern kein Interesse an mehr und schöneren Blumen gab. Wie viele Versuche hatte ich hier, unterstützt durch andere, unternommen und wie oft scheiterten sie. Das brachte mich selbst in eine schwierige Lage, da ich dann immer verpflichtet war, die Linie des Generalsekretärs offiziell zu verteidigen. Zugleich habe ich jedoch in einem großen Kreis von Personen drängende Probleme diskutiert und immer wieder zu den verschiedensten Zeitpunkten dafür gesorgt, daß entsprechende Veränderungsvorschläge ausgearbeitet werden. Das betraf insbesondere Fragen der Subventionen, der Kostenbelastung der Betriebe durch von ihnen nicht zu vertretende „gesellschaftliche Kosten“, den Abbau des Verwaltungspersonals und die Umverteilung von Verteidigungslasten zugunsten der Wirtschaft. Das waren immer die „heißen Eisen“ und das waren auch die „Dauerbrenner“, da diese Fragen zu keinem Zeitpunkt grundsätzlich zur Lösung gebracht werden konnten.

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Insgesamt wurde verabsäumt, zu den grundlegend veränderten Entwicklungsbedingungen der Produktivkräfte Stellung zu nehmen, sich vorbehaltlos und umfassend der Frage zu stellen, wie die DDR darauf zu reagieren hatte.

Die notwendige Veränderung der Struktur der Volkswirtschaft in Richtung auf eine umfassende Modernisierung unterblieb. Über Strukturpolitik durfte nicht gesprochen werden. Mit diesbezüglichen Ansätzen bin ich bei Honecker nicht durchgekommen und hätte auch im Politbüro nicht die erforderliche Unterstützung gefunden. Man scheute vor jeder ernsthaften Veränderung der politischen Grundlinie zurück.

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Zunächst möchte ich klarstellen: Wird darunter eine Beendigung dieser Politik insgesamt verstanden, wäre das bereits in den siebziger Jahren eine Beerdigung der DDR geworden. Es wäre zu sozialen Konflikten mit politischen Konsequenzen gekommen, die vermutlich nicht nur die ehemalige DDR berührt hätten. Das konnte zu einem Zeitpunkt, zu dem der kalte Krieg noch nicht einmal in Ansätzen überwunden war, nicht riskiert werden, weil die Konsequenzen nicht absehbar gewesen wären. Man denke nur an die brisante Konstellation wegen der Raketenstationierung. Die geringste Erschütterung im Herzen Europas hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem atomaren Inferno geführt.

Deshalb war damals eine mögliche politische Destabilisierung in der DDR durch Einschränkung sozialpolitischer Maßnahmen mit einem völlig unkalkulierbaren politischen Risiko verbunden. Insofern war die Gewährleistung von ökonomischer und damit auch sozialer Stabilität eine Grundprämisse jeglichen politischen Handelns.

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