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Bundeskanzler Helmut Kohl würdigt den Erfolg der Sozialen Marktwirtschaft (25. Oktober 1989)

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Überdies: Ich habe die Europäische Gemeinschaft der Zwölf nie mit Europa gleichgesetzt. Gerade uns Deutschen ist klar, daß Europa viel mehr ist als EG-Europa. Natürlich sind Ungarn und Polen genauso Europa. Denken Sie nur an die beeindruckenden Bilder aus Budapest: Die Volksrepublik wird für beendet erklärt, die Republik Ungarn ausgerufen. Und in diesem Moment steigt vor Hunderttausenden von Menschen das Transparent mit der Aufschrift hoch „Ungarn ist heimgekehrt nach Europa“. Mehr braucht man dazu nicht zu sagen.

Meine Damen und Herren, klar ist doch: Die Reformbewegung, der Zusammenbruch des realen Sozialismus, ist nur gekommen, weil der Westen in der NATO einig war und weil der europäische Integrationsprozeß eine so große Anziehungskraft ausübt. Staatspräsident Gorbatschow spricht ja keineswegs zufällig vom gemeinsamen Haus Europa.

Weil es gelegentlich auch in Brüssel vergessen wird, sage ich hier noch einmal mit allem Nachdruck: Wir sind angetreten für das ganze Europa. Wir wollen EG-Europa vollenden, aber mit offenen Portalen für andere. Es ist eine politische Einigung Europas. Deswegen begnüge ich mich in gar keiner Weise mit einer Entwicklung, die nach 1992 aufhört.

Wir müssen diese Chance jetzt wahrnehmen. Neun Jahrzehnte dieses Jahrhunderts sind vergangen und in vielen dieser Jahrzehnte gab es unendliches Leid, Not und Tod. Wir haben noch zehn Jahre Zeit, die Geschichte dieses Jahrhunderts zum Besseren zu wenden – zugunsten unseres Landes, für Frieden und Freiheit, für Wohlstand, für ein verantwortliches und glückliches Leben des einzelnen.

In diesen Tagen fragen sich einige unserer Nachbarn: Sind die Deutschen noch verläßliche Partner? Ich kann Ihnen nur sagen, daß das Zwischen-den-Stühlen-hin-und-her-Rutschen uns Deutschen nur Elend gebracht hat. Wir wissen, auf wessen Seite wir stehen. Wir sind Teil der westlichen Wertegemeinschaft. Und dabei wird es bleiben.

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VIII.

Freiheit ist ohne Zweifel ein Grundbedürfnis aller Menschen. Niemand kann sie den Menschen auf Dauer vorenthalten. Hiervon zeugen die aufrüttelnden Vorgänge der vergangenen Tage und Wochen im anderen Teil Deutschlands.

Wie es in der DDR weitergeht, weiß zur Stunde niemand. Gewiß ist aber, daß die jüngsten Ereignisse von historischer Tragweite sind. Um so mehr müssen wir selbst mit Klugheit, Bedacht und ohne Bevormundung unserer Landsleute in der DDR handeln.

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