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Bundeskanzler Helmut Schmidt entwirft sein Programm zur Bekämpfung der zweiten Energiekrise (2. Juli 1979)

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In Tokio ist besonders Japan die Zustimmung zur Importbegrenzung schwergefallen. Die Länder der Europäischen Gemeinschaft, die USA und Kanada sind sich nach Schmidts Darlegungen bereits vorher darüber klar gewesen, daß sie ihren Volkswirtschaften erhebliche Einschränkungen und Umstellungen zumuten müssen. Die Bundesrepublik ist in ihrer Ölimportpolitik nicht mehr frei, räumte der Bundeskanzler ein, aber sie wie die anderen großen Staaten müßten gleiche Opfer auf sich nehmen. Hier einen fairen Ausgleich der Lasten zu finden, das sei in Tokio gelungen. Mit unterschiedlichen Fixierungen der Importbegrenzungen für Öl wurde der unterschiedlichen Struktur der einzelnen Volkswirtschaften Rechnung getragen. Es gibt hier kein Einheitsrezept für alle.

Ölregister: Erzieherische Wirkung

Von dem beschlossenen internationalen Ölregister erwartet sich Schmidt (der prinzipiell und so lange wie möglich die Preisfindung für Benzin wie für Heizöl durch den Markt statt durch Behörden beibehalten will) im Laufe der Zeit eine „Bloßstellung solcher Firmen, die bisher durch Einzelaktionen auf den Spotmärkten in unverantwortlicher Weise die Preise nach oben getrieben haben“. Wenn die OECD zum Beispiel eine multinationale oder auch nationale Ölgesellschaft, belegt mit Zahlen und Daten an Hand des Registers, öffentlich tadelt, dann werde das seine Wirkung nicht verfehlen, so jedenfalls hofft der Bundeskanzler. Auf der anderen Seite warnt er allerdings auch vor Preishysterie und davor, sich an der Energieverteuerung vorbeimogeln zu wollen.

Über die Notwendigkeit eines Dialogs mit der OPEC befragt, meinte der Bundeskanzler, daß das Communiqué von Tokio in seinem die Ölproduzenten betreffenden Teil ursprünglich „keine so harte Sprache“ enthalten sollte. Die Formulierungen des Genfer Preisbeschlusses der OPEC haben aber dann zu einer Änderung geführt. Dennoch enthält die Schlußerklärung von Tokio auch gleichzeitig die Bereitschaft der Verhandlungen mit den Öllieferanten. „Ich will dazu allerdings sagen, daß ich nichts von Mammutkonferenzen halte, wie sie jetzt in Tokio und in Genf abgehalten worden sind.“ Auch der Weltwirtschaftsgipfel sollte sich zu einer weniger aufwendigen Veranstaltung werden [sic!], wünscht sich Schmidt. Er erwartet sich bereits vom nächsten Treffen auf der Insel San Giorgio in der Lagune von Venedig eine Art intimeren Rahmen.

Deflatorische Gefahren verhindern

Was die jüngst wieder stärker nach oben tendierende Preisentwicklung in der Bundesrepublik betrifft, so hält der Bundeskanzler wenig davon, dieser von den Ölpreisen diktierten Verteuerung der Lebenshaltung durch monetäre oder haushaltpolitische Bremsungen entgegenwirken oder sie gar rückgängig machen zu wollen. So etwas würde in der Bundesrepublik deflatorisch wirken – mit allen Konsequenzen für Beschäftigung und Wachstum. Mindestens genauso schädlich wäre es aber, wollte man versuchen, die durch Öl eintretende Verminderung der realen Einkommen über nominelle Lohn- und Gehaltserhöhungen wettzumachen. „Eine solche Politik würde geradewegs in eine inflationistische Entwicklung führen.“ Es gebe dafür Beispiele in anderen Staaten.

In der Wirtschaftspolitik gebe es kurzfristig weder theoretisch noch praktisch ein brauchbares Patentrezept gegen die Auswirkung der Ölpreissteigerung, vielmehr Ausgleichsmöglichkeiten allenfalls in mittlerer und längerer Sicht. Durch das Drucken von Geld die höheren Ölpreise bezahlen zu wollen sei jedenfalls kein Ausweg. Das Wachstum des Wohlstandes wird sich durch die nun durch die jüngsten OPEC-Beschlüsse noch beschleunigte Ölverteuerung verringern. Aber es werde nicht beendet.



Quelle: Franz Thoma, „Vorrang für Ölsparen und neue Technologien“, Süddeutsche Zeitung, 2. Juli 1979.

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