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Lothar de Maizières Regierungsprogramm (19. April 1990)

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Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion müssen untrennbare Einheit bilden
Ausgehend vom Angebot der Regierung der Bundesrepublik Deutschland an die Regierung der DDR, eine Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zu schaffen, ist es die Aufgabe der Koalitionsregierung, die dafür notwendigen rechtlichen Voraussetzungen zu gewährleisten. Bei den Verhandlungen mit der Bundesregierung gehen wir von dem festen Grundsatz aus, daß Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion eine untrennbare Einheit bilden müssen und nur gleichzeitig in Kraft treten können. Dies schließt Anschubfinanzierungen, insbesondere im Sozialbereich ein.

Wir bestätigen die bereits mehrfach getroffene Aussage, daß die Einführung der D-Mark auf dem Gebiet der DDR

- bei Löhnen und Gehältern im Ergebnis im Verhältnis 1:1 erfolgen sollte,
- bei Renten ebenfalls im Verhältnis 1:1, wobei ihre schrittweise Anhebung auf das Nettorentenniveau von 70 Prozent nach 45 Versicherungsjahren erfolgen sollte, und
- bei Sparguthaben und Versicherungen mit Sparwirkung auch im Verhältnis 1:1, wobei Wege eines differenzierten Umtausches gegangen werden sollten.

Differenzierter sind die Inlandsschulden der VEB, Genossenschaften und der privaten Betriebe zu beachten.

Hier ist bei der Währungsumstellung prinzipiell der Produktivitätsunterschied zwischen der Bundesrepublik und der DDR zugrunde zu legen. Dabei neigt die Regierung besonders bei dem privaten und genossenschaftlichen Sektor zur weitgehenden Streichung der Inlandsschulden, um dessen Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, und bei den VEB zur Umbewertung der Inlandsverschuldung mindestens im Verhältnis 2:1 zu kommen sowie Anpassungshilfen für wettbewerbsfähig organisierte Betriebe, z. B. durch Entschuldung im Rahmen der in der EG üblichen Sanierungsregelungen, zu geben.

So wie für Griechenland, Portugal oder Spanien mehrjährige Übergangsregelungen zum Schutz ihrer eigenen Wirtschaft galten, werden wir vergleichbare Schutzmechanismen mit der Bundesregierung vereinbaren müssen.

Bei der Übernahme des Wirtschafts- und Sozialrechtssystems der Bundesrepublik ist darauf zu achten, daß in Übergangszeiten die notwendigen Sonderregelungen getroffen werden. Wir denken hierbei an das Saarland-Modell. Gleichzeitig sollten diskriminierende Wirtschafts- und Handelsbeschränkungen abgebaut werden. [ . . . ]



Quelle: Lothar de Maizières Regierungsprogramm (19. April 1990), in Deutschland Archiv 23, Nr. 5 (1990), S. 795 ff; auch abgedruckt in Volker Gransow und Konrad Jarausch, Hg., Die Deutsche Vereinigung: Dokumente zu Bürgerbewegung, Annäherung und Beitritt. Köln: Verlag Wissenschaft und Politik, 1991, S. 157-59.

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