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Das neue Programm der FDP (25.-27. Oktober 1971)

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These 2: Liberalismus nimmt Partei für Fortschritt durch Vernunft. Er tritt ein für die Befreiung der Person aus Unmündigkeit und Abhängigkeit.

Er setzt sich ein für Aufklärung des Unwissens und Abbau von Vorurteilen, für Beseitigung von Bevormundung und Aufhebung von Unselbständigkeit.

Erste Voraussetzungen einer auf die Förderung solcher Emanzipation des Menschen und damit Evolution der Menschheit gerichteten liberalen Gesellschaftspolitik sind geistige Freiheit und die Prinzipien der Toleranz und der Konkurrenz.

Nur auf dieser Grundlage ist eine freie und offene Gesellschaft möglich, in der Wahrheit und Gerechtigkeit nicht als fertige Antworten überliefert und hingenommen, sondern angesichts des Wandels der Verhältnisse stets als neu sich stellende Fragen an den Menschen aufgeworfen und erörtert werden.

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These 3: Liberalismus fordert Demokratisierung der Gesellschaft.

Nach dem Grundsatz: Die Gesellschaft sind wir alle! erstrebt der Liberalismus die Demokratisierung der Gesellschaft durch größtmögliche und gleichberechtigte Teilhabe aller an der durch Arbeitsteilung ermöglichten Befriedigung der individuellen Bedürfnisse und Entfaltung der persönlichen Fähigkeiten. Er tritt ein für entsprechende Mitbestimmung an der Ausübung der Herrschaft in der Gesellschaft, die zur Organisation dieser arbeitsteiligen Prozesse erforderlich ist.

Nach dem Grundsatz: Die Gesellschaft darf nicht alles! zielt er im freiheitlichen Sozialstaat zugleich auf die Liberalisierung der Gesellschaft, durch eine mittels Gewaltenteilung, Rechtsbindung aller Gewalt, Grundrechtsverbürgungen und Minderheitenschutz eingeschränkte Herrschaft von Menschen über Menschen in der arbeitsteiligen Organisation unserer Gesellschaft.

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These 4: Liberalismus fordert Reform des Kapitalismus.

Die geschichtliche Leistung des Liberalismus war die Freisetzung des Menschen für die Entwicklung der modernen Industriegesellschaft. Der Kapitalismus hat, gestützt auf Wettbewerb und Leistungswillen des Einzelnen, zu großen wirtschaftlichen Erfolgen, aber auch zu gesellschaftlicher Ungerechtigkeit geführt. Die liberale Reform des Kapitalismus erstrebt die Aufhebung der Ungleichgewichte des Vorteils und der Ballung wirtschaftlicher Macht, die aus der Akkumulation von Geld und Besitz und der Konzentration des Eigentums an den Produktionsmitteln in wenigen Händen folgen. Sie bringt damit die Gesetzlichkeiten einer privaten Wirtschaft in Einklang mit den Zielen einer liberalen Gesellschaft. Sie dient gleicherweise der Steigerung der Leistungsfähigkeit wie der Menschlichkeit eines solchen auf private Initiative der Wirtschaftsbürger und privates Eigentum an den Produktionsmitteln gegründeten Wirtschafts- und Gesellschaftssystems.

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Quelle: „Die Freiburger Thesen der FDP“; abgedruckt in Wolfram Bickerich, Hg., Bilanz der sozialliberalen Koalition. Dokumentation Helmut Pape. Reinbek bei Hamburg, 1982, S. 190-201.

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